Das Kieferngrauen von Pätz

Gpsies.com ist super. Da kann man Strecken abstecken und sie anschließend auf die Garmine schubsen. Ab ins Gelände, Kurs starten und los geht’s. Garmine sagt, wo’s lang geht. Meistens. Bzw. meistens auch in die richtige Richtung.

Der Hase ist leider verreist, der Plan verlangt am Sonntag den ersten 27er. Das ist für die Debütantin in spe an sich schon ein kleines Abenteuer. T. bietet an, die letzten 17 km mitzulaufen, denn sein nächstes Ziel ist ein Halbmarathon. Wir tüfteln also auf gpsies.com eine Strecke aus, die jede Menge Seen und Wald enthält. Ich soll am Anfang der Strecke ausgesetzt werden, den ersten Teil von 10 km bis auf den Dorfplatz von Pätz laufen, dort am Auto gibt’s Wasser, anschließend laufen wir gemeinsam den zweiten Teil. Super Plan, auf die Garmine geladen, allet schick.

Kieferngrauen

Über die Autobahn dauert es von mir zu Hause kaum länger als bis zum Schlachtensee. In Schenkendorf werde ich also auf die Strecke geschickt und ermahnt, keinesfalls schneller als die im Plan vorgesehenen 6:30 min/km zu laufen. Alles klar. Nach wenigen hundert Metern fällt mir auf, dass ich das Handy vergessen habe – wenn irgendwas „passieren“ sollte, haben wir also keine Möglichkeit ein Wiedersehen zu koordinieren. Egal, dann passiert eben nix, aber ein kleines bisschen seltsam ist mir schon.

Nach knapp einem Kilometer beginnt der Weg am Krummen See entlang. Es ist etwas „trailig“, ein schmaler, wurzeliger Pfad. Vor mir sehe ich ein Lama. Hö? Nicht nur eins, da werden fünf Lamas an Leinen spazieren geführt. Auf dem Rücken tragen sie bunte Packsättel mit ein bisschen kleinem Gepäck. Die Biester sind ziemlich schreckhaft, die Gruppe bleibt zwar mehr im Gebüsch als auf dem Weg stehen, aber als das hinterste schon ausschlägt, als es mich nur kommen hört, stelle ich das Laufen ein und gehe lieber zügig an ihnen vorbei. Sie sehen sehr weich aus, und ich hätte gerne eins angefasst.

Nach dem Krummen See geht es durchs Naturschutzgebiet Sutschketal, auch sehr hübsch, recht tropisch, mit viel Farn. Es ist passenderweise ordentlich schwül, der Himmel grau verhangen. Viel zu schnell ist das Tal zu Ende und es geht durch Bestensee. Schon von weitem höre ich live Blasmusik. Während ich mich noch frage, wieso es bei den ersten Tönen schon so offensichtlich ist, dass die Töne nicht aus der Konserve kommen, sprießen mir schon die ersten Pickel. Es gibt einfach Musik, die echt schwer zu ertragen ist. Zu allem Überfluss spielt die Kapelle genau in dem Moment, als ich am Biergarten vorbei laufe, „Muss i denn…“ Mist! Ohrwurm! Und so ein grässlicher. Dagegen hilft nur ansingen. Ich überlege mir also ohrwurmtaugliches Liedgut und versuche laut zu singen, um die Blasmusik aus dem Kopf zu verscheuchen. Habe schließlich mal bei Jogmap gelesen, dass manche im Laufen singen können. Ich schaffe nur eine Strophe und muss dann im Kopf weiter singen, weil die Puste nicht reicht.

Bestensee ist lang und recht öd. Es gibt zwei Bestattungsunternehmer, die beide unter anderem Seebestattung und Trauerhilfe anbieten, einer ist im selben Gebäude wie die Psychologische Praxis. Praktisch. Auf Plakaten wird für „Draußen Tanzen“ und den „13. Spreewälder Gurkentag“ geworben. Mir scheint auf öden Straßen muss ich alle verfügbaren Buchstaben lesen. Irgendwann darf ich von der Straße abbiegen und es geht um den Pätzsee. Die Badestelle verführt fast zum verfrühten Abbruch – Wasser ist toll. Aber zum Baden ist später noch Zeit. Nach 11 km erreiche ich den Dorfanger von Pätz und da steht auch schon T. am Auto. Schade, dass dieser Punkt auch das Ziel der Gesamtstrecke ist – der Rest ist logischerweise ein Rundkurs – so dass Garmine stolz fiept und verkündet, ich hätte gewonnen und das Ziel erreicht. Neeeiiin! Dummes Ding, wie soll ich denn jetzt wieder auf die Strecke kommen?

Aber T. ist startklar, Wasser trinken, Trinkgürtel umschnallen und los geht’s. Da Garmine gerade findet, wir seien schon fertig, schaffen wir es beim Neustart, die falsche Straße zu nehmen. Garmine zeigt beharrlich zurück, aber mangelndes Vertrauen in die Technik hat fatale Folgen – wir denken, sie will zum Auto, will sie aber gar nicht, sie hat vollkommen recht. Bis wir das kapiert haben und auf den Kurs zurück gefunden haben, sind wir 3 anstatt 1,3 km weit gelaufen, zum Teil etwas querfeldein. Egal, da zwischen zwei Waldstücken gab es ein Feld mit hübschen Blüten. Bei genauerem Hinsehen habe ich die dreieckigen Samen von Buchweizen erkannt. Toll, sowas habe ich noch nie gesehen.

Merkwürdigerweise kommt kein See – so ganz genau habe ich die Seen zwar nicht mehr im Kopf, aber es sollten noch mehrere kommen. Garmine scheint friedfertig, bis sie uns plötzlich wieder mitten in den Wald schickt. Ich habe inzwischen wohl zu viel Zutrauen in die Technik, oder begehe Bedienfehler, aber lustigerweise schwanken die Angaben der „Entfernung bis zum Kurs“ auf wenigen Schritten zwischen 40 und 480 Meter. Sehr verwirrend. Wir stolpern über moosüberwachsene Baumstämme auf Pfaden, die wohl eher Wildwechsel als Wanderwege sind. Ein Reh flüchtet vor uns. T. warnt mich, dass er sich weigern wird, diesen fiesen, dichten Industriekiefernforst zu betreten, alles, was recht ist. Weiß gar nicht, was er hat, noch stehen die Bäume doch recht weit auseinander. OK, schön ist es hier nicht, ich mag auch keine Kiefern (doch alleinstehende, aber keinen Kiefernwald).

Wir finden den Weg, verpassen dann aber nochmal eine Abzweigung. Diesmal ist es gut, denn die Minikarte zeigt an, dass wir abkürzen. Super, bei all den Umwegen, die wir schon gelaufen sind. Irgendwie haben wir auch zu wenig Wasser mit. Nur ein Trinkgürtel mit vier kleinen Fläschchen. Mein Magen fängt an zu knurren, dabei hatte ich ihn noch mit einem riesigen Frühstück versorgt, weil ich genau das immer befürchte – unterwegs hungrig zu werden. Aber wegen so einem Trainingslauf Proviant mitschleppen? Das ginge nun wirklich zu weit, da würde ja gar nicht der Stoffwechsel trainiert oder wie immer der Herr Steffny das gemeint hat. Durch die Abkürzung verpassen wir auch den dritten See, dafür ist dort, wo Garmine ganz eindeutig geradeaus will, ein Tümpel, der bei gpsies.com bzw. OSM nicht eingezeichnet war. Also schön crossig außen rum. Der Untergrund ist sehr anstrengend, Moos, Sand, Kiefernzapfen, und ich fange an, von schönem, glattem Asphalt zu fantasieren.

Ha, da ist ein See, der Große Karbuschsee (ist aber gar nicht groß) – der Weg streift ihn nur kurz und es geht zurück in die Kiefernhölle. Jetzt fehlt nur noch der Pätzer Hintersee, und eigentlich sind wir immer noch der Meinung, wir hätten den Weg so nah am See wie möglich gewählt. Nix is. Kiefern. Sandboden, und nochmal falsch abgebogen. Zurück in die Kiefern. Kann es sein, dass der Weg so weit vom See entfernt verläuft, dass wir nur ahnen können, dass er dort hinten irgendwo sein muss? Ja, das ist leider so. Es ist nicht schön, es ist sehr anstrengend, und: habe ich schon erwähnt, dass ich keinen Kiefernforst mag? Nach knapp 29 km erreichen wir den Dorfplatz von Pätz und Garmine verkündet zum zweiten Mal, wir hätten gewonnen. Schon kurz vorher sind wir uns einig, dass die gespeicherte Strecke auf gpsies.com dringend gelöscht werden muss – wir wollen schließlich nicht, dass andere Ahnungslose ebenfalls einen schönen Vier-Seenlauf versuchen.

Am Auto fallen wir über die Vorräte her: Butterbrezeln, ein mittelgroßes Sortiment an Fruchtriegeln und ganz viel Wasser. Uff – wollen wir noch baden? Ja, wir steuern noch die Badestelle an und schwimmen kurz das ganze Salz auf der Haut weg.

Fazit: auch wenn das nun nicht wirklich ein „schöner“ Lauf war, diese Marathonvorbereitung ist auf alle Fälle ein Abenteuer.

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