Stockholm ist ein Laufparadies. Das finden die Einheimischen offensichtlich auch, denn es wird gerannt, was die Beine hergeben. Schon am ersten Abend fällt mir das auf, vor allem am Wasser entlang ist immer mindestens eine laufende Person in Sicht, meistens mehrere gleichzeitig. Da Stockholm viele Inseln besitzt, gibt es auch sehr viele Wege am Wasser. Die Leute scheinen an Läufe in langen, dunklen Nächte gewöhnt zu sein, denn viele sind vorbildlich mit reflektierenden Westen oder diesen leuchtgelben schärpenartigen Umhängdingern ausgestattet. Außerdem kommt es mir vor, als wären sie im Schnitt um einiges flotter unterwegs, als der durchschnittliche wilmersdorfer Volksparkjogger oder auch die -joggerin. Gelaufen wird zu jeder Tageszeit, nach Feierabend, frühmorgens, am Wochenende – klar, so ist das im Volkspark bei mir um die Ecke auch, aber irgendwie kommt mir das Verhältnis von Laufenden zu Spazierenden hier lauflastiger vor.
Laufen ist inzwischen ja so ziemlich das beste an Dienstreisen, deshalb bin ich ein wenig geknickt, dass ich mir nur ganz moderate Runden aussuchen darf, weil das Knie noch zickt. Beim Betrachten des Stadtplans springen die spektakulärsten, touristisch hoch interessanten Strecken ins Auge, aber ich bin vernünftig und geduldig und lasse es sachte angehen: Freitag nach Feierabend eine Dreiviertelumrundung von Kungsholmen soll erst mal reichen, sollte sich das Knie früher melden, kann ich hoffentlich abkürzen.
Die Strecke ist prima, ich liebe urbane Läufe, aber auf schönen Parkwegen am Wasser entlang zu laufen und gleichzeitig tolle Aussichten auf eine Stadt zu genießen, ist einfach großartig. Es ist zwar schon dunkel, aber das macht nichts, so viele andere Läuferinnen und Läufer laufen mit mir und mir entgegen. Als ich die Insel queren will, weil der Uferweg in einer Baustelle mündet – und weil es ganz außenrum doch zu weit wäre – weiß ich ein paarmal nicht so genau weiter, aber es ist immer jemand zum Fragen da. Das Knie meldet sich mal wieder nach knapp fünf Kilometern. Zum Abkürzen ist es da schon zu spät. Pech fürs Knie, auf Gehen habe ich jetzt keine Lust, da spendiere ich ihm lieber eine Dehnpause, das hilft auch immer ein bisschen.
Am Ende kommen sieben Kilometer raus, das ist ganz schön wenig, wenn eine mitten im Laufparadies sitzt und die Augen auf dem Plan viel größer sind als der Magen – ich meine: als das Knie. Passt nicht so ganz das Bild, aber ihr wisst schon, was ich meine. Ja, ich gebe zu, es war ein bisschen viel – das habe ich gestern bei meinem Tourismus-zu-Fuß-Programm gespürt. Aber was soll’s, bin schließlich nicht jeden Tag in so einer tollen Gegend.