Laufen auf Reisen – Morgenlauf

Ich übernachte im Africa Hotel von Axum. Wenn ich von alleine um 6:00 Uhr aufwache, gehe ich laufen, sonst reicht es nicht vor der Weiterreise. Viertel vor sechs testet einer den Motor seines Minibusses im Hof. Das passt ja.

Auf der Hauptstraße sind schon viele Leute unterwegs. Hier tragen fast alle Frauen ein großes weißes Umschlagtuch, viele Männer auch. Auf der Piazza steht ein riesiger Sycamore Baum (wie heißt der auf deutsch?). Gestern saßen da den ganzen Tag Leute drunter, aber die kommen wohl erst später. Von Tesfay, einem siebzehjährigen Schüler habe ich gestern erfahren, dass es eine Art Berufsschule gibt, wo die Steinmetze einen deutschen Lehrer haben, von dem sie das Pflastern lernen. Tatsächlich wird in Axum tüchtig gepflastert, im Zentrum vor allem die Bürgersteige, aber auch viele Nebenstraßen, und zwar alles in schickem zweifarbigen Fußgängerzonenpflaster, regelmäßige Bögen aus hellen und alle paar Reihen dunklen Steinen. Das ganze wird mit einem schwarzen quarzig schimmernden Sand verfüllt. 

In der Nähe der Kathedrale kommen mir einige Nonnen entgegen. Die sind an ihren zylinderförmigen Stoffmützen und ihrem Stab mit dem oben verzierten Ende zu erkennen, dessen Funktionen mir gestern der Guide erklärt hat: man kann ihn wie einen Spazierstock verwenden oder wie eine Krücke unter eine Schulter klemmen, oder auch mit beiden Händen darauf stützen und quasi dagegen lehnen, um sich während der langen Messen ein bisschen auszuruhen. Manchmal bereue ich es doch ein bisschen, die Kamera so sparsam dabei zu haben, denn vor einem Bauzaun, der aus abwechselnd gelb und grün angestrichenen Wellblechen besteht, haben sich zwei Nonen niedergelassen, die eine im gelben Gewand sitzt vor einem gelben Blech, die daneben hat ein grünes an. 

Ich passiere das Stelenfeld. In Axum liegt der Ursprung der äthiopischen Kultur, von hier stammte der legendäre erste Kaiser Menelik, der ein Sohn von König Salomon und der Königin von Saba gewesen sein soll. Eine Zeitlang war es bei den axumitischen Herrschern Mode, sich gewaltige Grabstelen aus Granit aufstellen zu lassen, von denen hier noch viele rumstehen oder auch -liegen. Die älteren sind ganz schlicht, die neueren (6. Jh.) sehen wie kleine Hochhäuser aus und sollen den Zusammenhang mit der jemenitischen Kultur beweisen. Nach dem gestern absolvierten Hardcore-Tourismus mit Guide müsste ich eigentlich noch die Maße aller Stelen im Stelenfeld mit Gewicht und Bauherrn hersagen können, aber mir war es wohl ein bisschen zu heiß, um mir alles zu merken. 

Rechts geht es raus in die Dörfer und den Berg hoch zum Yeha-Hotel. Hui, ist das steil und anstrengend, aber von der Terrasse des Hotels hat man einen tollen Blick über die Stadt und das Stelenfeld. Von hier oben ist deutlich zu sehen, dass auch Axum kein Luftkurort ist. Hier oben ist die Luft klar und das Licht wunderbar, aber über der Stadt hängen um diese Zeit noch ganz deutlich lokalisierbare blaue Wolken: über der Piazza, wo gerade viele LKWs warmlaufen und über den drei größten Straßen. Das muss an den vielen Zweitakterdreiradtaxen liegen. Komisch, unten hatte ich das gar nicht bemerkt.

Jemand hat Krümel auf die Terrasse geworfen, um die sich jetzt die Vögel streiten. Da sind zwei etwa amselgroße, auf den ersten Blick schwarze, mit gelben Augen, deren Gefieder aber wunderschön blau-grün schimmert. Einer sieht aus wie eine Taube, aber gelblich-grün – oder ist das eine Art Papagei? Nach kurzer Pause kehrte ich um.

Am Sycamore-Baum stehen zwei abgedeckte Kickertische, na, wenn ich die mal gestern schon gesehen hätte! Ich biege rechts ab und laufe noch zwei Blocks weiter, dann wieder links Richtung Africa Hotel. Ein Trupp Leute macht die Kanalisation sauber. Sie haben ein paar große Abdeckgitter hochgehoben und stochern unten im Kanal. Der rausgefischte Dreck wird auf einen Karren gepackt. Im Park, der eigentlich nur noch auf dem Stadtplan so heißt, weil die gesamte Fläche mit kleinen Buden für Essen und Getränke gibt, spielt schon laute Musik. Gäste sind aber noch keine da.

Heute habe ich nicht so viel Zeit, also zurück zum Hotel, duschen. Zum Glück beteiligt sich das Hotel nicht an der Duschwertung, denn das, was da an der Wand hängt, war vielleicht in seinem vorigen Leben ein Luftbefeuchter. Es gibt vielleicht zehn Löchlein, aus denen Wasser kommt, dafür sprühen die alle in unterschiedliche Richtungen. Irgendwann ist aber auch damit die Seife wieder abgewaschen, und ich darf frühstücken gehen.

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