Heimweg

Eine neue Lebenssituation erfordert gelegentlich etwas Kreativität bei der Planung des Alltags. Bei mir hat sich der Arbeitsweg von nicht der Rede werten 3 km auf 9 km verdreifacht. Ich wohne nicht mehr alleine, und meine Mitbewohnerinnen essen gerne zwischen 19:00 und 19:30 Uhr. Wo bringe ich da einen Lauf unter, wenn ich vor der Arbeit noch einen Termin mit meinem alten Hausverwalter habe? Noch früher aufstehen? Och nö, da probiere ich doch lieber mal etwas Neues aus: von der Arbeit nach Hause laufen.

Ausrüstung: kleiner Laufrucksack, in den neben Hausschlüssel, Geld und Fon hoffentlich noch ein kleiner Einkauf aus dem Supermarkt passt, denn ich habe versprochen zu kochen.

Los geht’s, umziehen, Büroklamotten im Büro lassen, Fahrrad bleibt stehen. Als ich vors Haus trete nieselt es. Macht nichts.

KM 1: Eher langweilig die schnurgerade Rudolstädter Straße entlang, unter der Autobahn durch. Immerhin kann ich mich über den Westwind freuen, der mich von hinten schiebt.

KM 2: Hier beginnt meine alte Volkspark-Hausstrecke am Fennsee entlang – erst links davon, dann über die Brücke auf die andere Seite, denn hier ist beleuchtet.

KM 3: Ab hier ist der Park stockfinster, ich laufe über die Fußgängerbrücke über die Bundesallee und frage mich, ob ich auf Straßen ausweichen soll. Och nö, in der Stadt ist es doch nie so richtig dunkel, das geht schon, also Parkweg. Platsch – das war eine unbeleuchtete Pfütze.

KM 4: OK, doch lieber die Freiherr-von-Stein-Straße nehmen und parallel zum Park bis Rathaus Schöneberg.

KM 5: Belziger Straße – eine nette Schöneberger Seitenstraße, aber im Dunkeln und bei Nieselregen wäre ein bisschen Sound auf den Ohren doch nicht verkehrt gewesen. Notiz an mich selbst: nächstes Mal Musik mitnehmen.

KM 6: Brücken, ich liebe Brücken – erst die Langenscheidt-Brücke, von hier hat man einen guten Blick aufs mit Lichtern geschmückte Gasometer. Genau – das, von wo die Jauch-Sendung ausgestrahlt wird. Dann die Monumentenbrücke mit Blick bis Potsdamer Platz und etwas weiter auf den Fernsehturm. Direkt an der Brücke, Ecke Bautzener Straße ist das Cielo di Berlino, wo ich meinen letzten Geburtstag gefeiert habe – der Name ist sehr treffend, denn der Berliner Himmel ist über der Monumentenbrücke besonders schön.

KM 7: Die Kreuzbergstraße führt unterhalb des Viktoriaparks entlang – wenn es abends wieder länger hell ist, kann ich durch den Park laufen. An der Straße befindet sich das Tomasa in der Villa Kreuzberg, wo seit einiger Zeit die Jogmap-Treffen vor dem Berliner Halbmarathon und dem Marathon stattfinden. Bald ist wieder Halbmarathon, da laufe ich zwar nicht mit, freu mich aber schon aufs Treffen.

KM 8: Die Bergmannstraße ist bunt und lebendig, so lebendig, dass ein bisschen Passantenslalom notwendig ist. Kaufe ich jetzt bei Kaiser’s in der Bergmannstraße oder bei Edeka am Südstern ein? Lieber bei Edeka, da muss ich den Kram nicht so weit tragen. Direkt vor mir bleiben drei junge Touristinnen abrupt stehen, so dass ich fast auf sie auflaufe. Sie finden irgendetwas „totally awesome“ – ich finde aber nicht heraus, was es war.

KM 9: Mitten drin ein kurzer Zwischenstop bei Edeka. Ich mache Gnocchi mit grünen und schwarzen Oliven in Parmesancreme und Salat. Ein bisschen knapp ist das doch mit dem kleinen Rucksack, die Sahne trage ich in der Hand. Ob sie bis zu Hause wohl schon zu Schlagsahne wird?

Nach ziemlich genau 9 km bin ich zu Hause. Experiment geglückt – im Sommer lässt sich das Ganze sicher noch mit der ein oder anderen Grünanlage aufpeppen, aber für einen vernieselten Januarlauf im Dunkeln bin ich sehr zufrieden.

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