Laufen unterwegs – der Wiler Turm

Am Nebentisch im Hotelfrühstücksraum unterhalten sich zwei Anzüge. Der eine erklärt dem anderen wortreich, dass er eigentlich am Vorabend unbedingt laufen wollte, aber dann war das Wetter so schlecht, und als es um acht besser wurde, war er schon wieder umgezogen, und da konnte er sich dann doch nicht mehr überwinden. Das Wort innerer Schweinehund fällt, und ich kichere still in mich hinein, denn mein Wetter war ganz anders.

Es stimmt, am Vorabend um 18 Uhr war eine dunkle Wolkenwand genaht, es schüttete wie aus Kübeln, aber von Anfang an war im Nordwesten ein heller Streifen am Horizont zu erkennen, um 19:00 Uhr schien schon wieder die Sonne.

Als der Regen dünner wird, ziehe ich mich um, und als ich das Hotel verlasse, bewegen sich am Himmel zwar noch hochdramatische Wolkenformationen, aber sie bewegen sich weg, und die Sonne setzt sich durch. Wunderschönes Licht!

Aus selbstverschusselten Gründen (Rechner im Büro gelassen) habe ich keinen Track auf der Uhr, hoffe aber dennoch irgendwie den Wiler Turm zu finden. Am Weiher finde ich ein Schildchen mit der vielversprechenden Aufschrift „Rundweg“, auf dem der Turm abgebildet ist. Eine Gruppe kleiner Mädchen in weißen Gewändern und roten Kopftüchern gruppiert sich in immer neuen Zusammenstellungen vor der malerischen Kulisse von Weiher und darüber liegender Altstadt und wird von einer ganzen Schar Eltern tüchtig fotografiert und gefilmt.

Der Weg führt bergauf, erst auf der Straße, dann auf einem Fußweg zwischen ziemlich schicken Eigenheimen und schönen Gärten entlang, dann geht es aus dem Ort hinaus und steil bergan. Die Aussicht Richtung Westen ist wunderschön – aber gegen die Sonne gelingt mir kein Foto, das die Erhabenheit des Anblicks auch nur ansatzweise transportiert. Der Weg führt in den feucht duftenden Frühlingswald, immer bergan, aus dem Wald heraus, da ist auch schon der Turm zu sehen. Vor mir kreuzt ein Läufer den Weg, er ist ziemlich flott unterwegs, während ich schon wieder schnaufe wie eine kleine Lok.

Wiler Turm

Der Wiler Turm ist ein sehr schöner Holzbau, Balken wurden in der Mitte aufgespießt und dann jeweils um eine Balkendicke spiralig gedreht, so dass zwei Treppen für Auf- und für Abstieg entstehen. Da man zwischen den Stufen nicht durchgucken kann, ist der Turm bestimmt auch für Leute mit Höhenangst einigermaßen gut geeignet. Oben genieße ich erstmal eine Weile den Rundblick, bis mir kalt wird, und ich wieder absteige.
Wil vom Wiler Turm

Die dicht stehenden Häuser hinter dem Rapsfeld in der Bildmitte sind die malerische Altstadt von Wil, die auf einem Hügel liegt.

Der Weg nach unten führt mitten durch einen Bauernhof. Auf dem Hof stehen zwei kleine Kindertraktoren mit Anhänger, die genauso aussehen, wie große, das finde ich wirklich zauberhaft. Aus dem Stall an der Seite offenen Stall schauen Kühe heraus.

Kindertraktor auf dem Bauernhof

Am Kornhaus steht eine Informationstafel. Das Haus war einmal Kornspeicher, dann Unterkunft für napoleonische Soldaten, später Armenhaus, jetzt wird es offensichtlich von Familien bewohnt, denn im Eingang hängen bunte Briefkästen und es liegt Spielzeug herum. Der Eingang ist interesssant, denn hinter dem Tor führt eine offene Wendeltreppe um einen kleinen Lichtschacht herum nach oben. Im Garten blühen schon viele Blumen, es muss schön sein, hier zu wohnen.

Der Rundweg führt mich am Krebsbach entlang zum Weiher zurück – der Bach führt viel Wasser und macht ein ganz schönes Getöse für so ein Bächlein. Am Weiher sind die weißgewandeten Mädchen mit den roten Kopftüchern der Sonne gefolgt, sie werden immer noch fotografiert. Was die wohl feiern?

Weil das bisher kilometermäßig noch gar nicht so viel war, umrunde ich die Altstadt links herum und hänge noch einen Schlenker nach Süden an meine Runde dran. Am Ende waren es immer noch erst 6,6 km, aber das macht nichts, erlebt habe ich genug für zehn.

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