Laufen unterwegs – mit Morgenbad

Gestern war es nicht spät, wir waren schon kurz nach dem Dunkelwerden zurück bei Valentina und saßen noch eine Weile auf der Terrasse über dem Meer.

Ich bin kurz nach sechs wach und ziehe mir Laufsachen an. Draußen treffe ich Valentina, die wissen will, ob ich wieder ins Dorf spaziere – das habe ich gestern gemacht, um Frühstück zu besorgen, denn dies ist die erste Unterkunft, wo es kein Frühstück gibt. Aber heute will ich tatsächlich laufen, zeige in großem Bogen Richtung Lukovë-Beach und laufe dann los.

Am Haus oberhalb unserer Unterkunft, wo gestern der unfreundliche Hund war, treffe ich einen alten Mann, der Hund ist bei ihm, außerdem drei Kätzchen, die nicht älter als vier Monate sein können. Er fragt, woher ich komme – das kann ich verstehen und beantworten: „Nga gjermania“. Er bietet mir ein Bonbon an, ich lehne dankend ab und mache mit den Armen Laufbewegungen, er hebt den Daumen und sagt etwas, das anerkennend klingt, dann laufe ich weiter. Der Hund bleibt bei seinem Herrn, die Kätzchen erschrecken vor mir und rennen wild durcheinander. Der Mann geht ein paar Schritte, dann ruft er, und alle drei Kätzchen rennen Mann und Hund hinterher. Sowas habe ich noch nie gesehen. Alle fünf spazieren gemeinsam weiter.

Es ist ziemlich steil bis zur Straße hoch, aber die ist dann schön asphaltiert und leicht zu laufen. Naja, bis auf die Steigungen. An einer Kurve steht innerhalb eines eingezäunten Grundstücks eine Bank aus massivem Beton. Sie steht mit der Lehne Richtung Aussicht. Das finde ich seltsam, aber andererseits können die Leute hier ständig aufs Meer schauen und finden es vielleicht interessanter zu sehen, wer auf der Straße vorbei geht. Dann finde ich es seltsam, worüber der Kopf sich beim Laufen so Gedanken macht. Unter anderem über den Tag gestern.

Um den familiären Verpflichtungen gerecht zu werden, hatten wir Iliri Bescheid gegeben, wo wir abgeblieben sind. Und dabei auch gleich klargemacht, dass wir noch nicht nach Sarandë kommen, sondern noch eine Nacht in Lukovë bleiben würden. Im Überschwang schwärmte Titus vom Beach unterhalb der Sahnetorte und forderte Iliri auf, doch zur Abwechslung zu uns zu kommen. Wir hatten es am Strand sehr nett mit schwimmen, lesen, in die Gegend schauen, Steine zu einem Turm stapeln, wieder schwimmen.

Steinturm

Der Wirt der Strandbar zog sich einen Neo über, band sich eine Bleischnur und ein kleines Netz um, legte Taucherbrille, Schnorchel und Flossen an, griff sich eine Harpune und verschwand im Meer.

Am frühen Nachmittag gingen wir in die Strandbar und bestellten uns Pommes und Bier, als Mila, Iliri und zwei junge Leute ankamen. Anna und Ole aus Schweden, die eigentlich in Xamil an den Strand wollten, als Ilir sie, wer weiß wie, aufgesammelt und Ihnen einen viel besseren Strand versprochen hatte. Wir saßen noch eine Weile in der Strandbar, als der Wirt mit seinem Fang zurück kam, ein paar Oktopusse und Fische in verschiedenen Größen. Er macht das nur im Herbst, wenn es im Meer viel Fisch gibt. Im Sommer gibt es wenig Fisch und es sind zu viele Gäste da. Die bekommen dann Tiefkühlfisch.

Fang

Irgendwie gab Iliri plötzlich den Manager, besprach sich mit dem Wirt, fragte seine gesammelten Schützlinge, zu denen wir ja auch irgendwie zählen, welche Sorte Fisch wir essen wollten und wuselte und organisierte herum. Eigentlich wäre das überhaupt nicht notwendig gewesen, denn wir haben am Vorabend auch etwas zu essen bekommen – und ehrlich gesagt, war es günstiger. Es ist zwar schon fast zwanzig Jahre her, aber ich habe lange genug meine Brötchen im Tourismus verdient, um zu wissen, wie es läuft. Es ist dennoch ein wenig kränkend, wenn so sehr auf der Freundschaftsschiene gefahren wird, und es dann so offensichtlich scheint, dass da einer an unserem Abendessen mit verdient, der es weder gefangen, noch gekocht hat. Und der in unserem Fall noch nicht mal die Gäste rangeschafft hat. Eher umgekehrt.

Andererseits hat er wirklich sehr viel für uns getan, uns die wirklich tollen Unterkünfte in Berat vermittelt – und die echt zu teure in der düsteren Wohnung beim Schwippschwager. Wir haben den großartigen albanischsten Tag mit Mila und ihm verbracht, und da sind sie wirklich nur zum Spaß nach Berat gekommen, er ist für uns einen Riesenumweg gefahren, und hat uns gestern noch geholfen, den linken Hinterreifen zu wechseln, als der fast platt war – so schnell habe ich das noch nie gesehen. Seine Freundlichkeit und den Enthusiasmus, mit denen Iliri Pläne macht (und die Geschwindigkeit, in der er sie über den Haufen wirft und neue macht), halte ich für absolut echt. Vielleicht sind wir gestern einfach in seine Berufsausübung hineingeraten, und ich sollte das nicht überbewerten.

Von oben kann ich Valentinas Sahnetorte sehen. Eine interessante Abzweigung fällt mir auf, will ich da lang? Vielleicht lieber nicht, die Nebenwege sind sehr schwer zu laufen, steinig und sehr ausgewaschen. Oberhalb von Lukovë-Beach kommt es mir aber doch mühsam vor, all die Serpentinen nach unten und danach gleich wieder hoch zu laufen. Kühe muhen, Ziegen blöken, große und kleine Glöckchen um ihre Hälse bimmeln. Und es sind wieder jede Menge Hunde zu hören. Das gibt den Ausschlag, ich laufe zurück und biege in den interessant aussehenden Pfad ein. Wenn der in einem Bogen runter zu unserem Strand führt, könnte ich gleich ins Wasser springen. Das tut er dann leider nicht, so dass ich nach ein paar Biegungen doch wieder umkehre. Inzwischen gefällt mir aber der Gedanke an ein Morgenbad immer besser, so dass ich im Hotel nur schnell ins Zimmer springe, mir den bisher unbenutzten Laufrucksack schnappe, Badesachen und eine kleine Flasche Wasser hineinstopfe und den Weg runter zum Strand laufe.

Die Strandbar liegt noch verwaist, im Campingbus und dem alten Berliner Volvo-Kombi, die schon seit gestern hier stehen, ist es noch ruhig. Schnell ziehe ich mich um und springe ins Wasser. Ich schwimme parallel zum Strand, die Sonne kommt über die Hügel und wirft Lichtreflexe auf den Grund und auf meine Arme (auf die Beine vermutlich auch, aber die sehe ich ja nicht). Ist das schön, ein ganzes türkisblaues Meer für mich. Es ist glatt, ganz leichte Wellen heben mich leicht an uns lassen wieder los. Wunderbar.

Weil ich danach keine Lust habe, mit sandigen Füßen in Socken zu steigen, beschließe ich, den Kilometer zum Hotel barfuß zurück zu gehen. Das piekt mehr als ich vermutet hätte, aber es bleibt dabei, vorsichtig tapse ich über den Weg der hauptsächlich, aber zum Glück nicht nur, aus Kalkschotter besteht. Jeder große Stein und jede angetrocknete Lehmfläche ist willkommen. Das ist bestimmt prima Training für die kleinen Fußmuskeln. So, der zweite Teil des Tages kann kommen: mehr Strand.

Der kommt dann auch. Mal wieder, weil Iliri so sehr geschwärmt hat, machen wir nach einem Mittagsimbiss in unserer zauberhaften Strandbar einen Abstecher zum Strand von Kakome. Das ist eine Bucht, in der vor ein paar Jahren eine große Ferienanlage gebaut werden sollte. Es gab dann irgendwelche Streitigkeiten, jetzt liegt das Projekt brach. Es gibt eine Website, aber die wurde seit Jahren nicht aktualisiert. Die Zufahrt, die von der SH 8 dorthin führt, ist die bestausgebaute Nebenstraße Albaniens. Sie endet an einem metallenen Schiebetor, an dem zwar Zufahrt verboten steht, es kommt aber ein Mann, der es öffnet und für den Eintritt ungeheuerliche 1000 Lek verlangt. Dafür bekommt man ein Abendessen für zwei mit Bier. Wir bringen unsere höchste Bestürzung über diesen Preis zum Ausdruck, zahlen trotzdem und fahren aufs Gelände. Am Ende liegt die Bucht unglaublich malerisch zwischen zwei Bergrücken. Die Straßen der Anlage wurden geplant und die Begrenzungen lose aufgestellt, lustigerweise erscheinen sie auf allen Landkarten, auch wenn da nur Bordsteine in der Gegend stehen, zwischen denen das Gras wuchert, das auf den meistbenutzten Wegen plattgefahren ist.

Zwei, drei Bauruinen stehen herum. Und das Ganze führt außen ein Zaun herum. Die Bucht liegt traumhaft und ist eigentlich wunderschön. In der Mitte steht ein Betonsteg, der im Zerfall überall rostige Armierung freigibt. Der Strand ist mit Plastikmüll übersät. Ein Stück abseits steht ein toter Jeep. So ein schöner Ort in einem höchst seltsamen bis unerfreulichen Zustand. Im seichten Wasser sehen wir kleine Fischchen, silbrig mit schwarzem Punkt vor der Schwanzflosse und einen gelb-rosa-türkis-karierten. Im Wasser schwimmt viel Seegras und andere Pflanzenteile, aber dafür kann die Bucht nichts, das war heute in Lumra genauso. Wir schwimmen ein bisschen, sitzen dann am vollkommen schattenlosen Strand unter dem albanischen Regenschirm. Nee, eine Empfehlung ist das hier eher nicht.

Fensterputzen, Schuhtest und Anbaden

Himmelfahrt, Vatertag, Herrentag – ich finde seit vielen Jahren, dass im Grünen zu viele Bollerwagengespanne unterwegs sind, und dass sich der Tag deshalb ganz ausgesprochen gut zum jährlichen Fensterputzen eignet. Mit dieser persönlichen Tradition bin ich mittags fertig.

Als nächstes Laufen: 12 Kilometer, die neuen Schuhe wollen getestet werden. Sagt mal, ist euch auch aufgefallen, dass anscheinend der Trend zu wenig Sprengung schon wieder nachlässt? Das finde ich ganz schön doof, denn wenn eine sich mal angewöhnt hat, NICHT auf der Ferse zu landen, tapst so eine dicke Ferse am Laufschuh bei der Landung ganz blöd und behindert die Federung. Getestet habe ich das neulich mit einem Schuh, den der Laufschuhdealer mir empfehlen wollte – aber das geht irgendwie gar nicht mehr. Nur sind flache Schuhe kaum noch im Angebot. Blöd. Mit ein wenig schlechtem Gewissen habe ich also Schuhe in einem anderen Laden gekauft (aber wenn der Laufschuhdealer es innerhalb von sechs Wochen nicht schafft, sich wie angekündigt nochmal zu melden…). Auch dort war die Auswahl nicht berauschend, am besten funktionierten noch Puma Speed 300 mit angeblich 6mm. Die habe ich jetzt. Sie sind vorne WEISS! Wer denkt sich denn sowas aus? Egal, die 12km über den Insulaner gehen flott von den Füßen. Schuh funktioniert, aber dieses begeisterte ich-kann-fliegen-Gefühl, das die f-lite 195 oder die Pearl Izumi EM 1 verursacht haben, bleibt aus. Schade.

Höhepunkt des Tages ist aber heute nicht der Lauf, sondern das Anbaden im Sommerbad Wilmersdorf. Wir verdanken die frühe Saisoneröffnung dem Umstand, dass das Olympiabad renoviert wird. Sehr gut! Also nach dem Laufen schnell was übergeworfen, Badesachen geschnappt, noch eben in die Schlange vor der Eisdiele eingereiht und in der Sonne ein großes Eis verputzt, aufs Rad geschwungen und ab ins Freibad. Es hat sich noch nicht herumgesprochen, dass offen ist, so dass trotz Feiertag genug Platz auf den beiden abgesperrten Bahnen ist.

An auffällig vielen Stellen im Bad stehen Aufsteller mit großen dreisprachigen Plakaten herum, auf denen Baderegeln entweder mit Fotos oder mit Comics erklärt werden, auf deutsch, türkisch und arabisch. Da wird erklärt, dass Nichtschwimmer nicht ertrinken sollen, aufs Badpersonal hören und keine Frauen belästigen, egal, ob die jetzt Bi- oder Burkini tragen (die beiden letzteren Punkte gelten für alle, nicht nur Nichtschwimmer). Ich bin nicht ganz sicher, ob so viel Prävention sinnvoll und nötig ist, mir sind das ein wenig zu viele Plakate.

Schwimmen ist schön, es sind lauter rücksichtsvolle Menschen auf der Bahn, selbst die mit den Spielsachen haben ihre Flossen und Paddles gut im Griff. Jede vierte Bahn schwimme ich auf dem Rücken, damit die Vorderseite auch ein bisschen Sonne abbekommt. Der Himmel ist blau mit einigen kleinen weißen Wölkchen, so geht Sommer.

Neues Spielzeug – Teil 2: Schwimmen

Gestern Schwimmen. Ich war ewig nicht im Schwimmbad – irgendwie war die Motivation mit dem verfrühten Freibad-Saisonende trotz schönstem Wetter weg. Ausrede. Jetzt habe ich aber das neue Spielzeug, das angeblich auch schwimmen kann. Wenn das kein Anlass ist, mich mal wieder im Stadtbad Wilmersdorf sehen zu lassen.

Also: Ohne Frühstück los, Frühschwimmticket gelöst, Uhr umgeschnallt, „Poolschwimmen“ ausgewählt, 25m-Becken eingestellt, ins Wasser, Start gedrückt, eine Länge geschwommen, versucht, auf der Uhr was zu erkennen, nochmal irgendwas gedrückt, die Anzeige zeigt 10 an. 10? Soll heißen? Keine Ahnung, erstmal weiterschwimmen, auswerten kommt hinterher.

Auswertung:
1. Ergebnis: ich habe nur eine Länge gemessen, dann offensichtlich aus Blödheit die Uhr gestoppt (wie eigentlich???).
2. Ergebnis: Intuitiv ist das anscheinend nicht, jetzt muss ich doch die Anleitung lesen.

Falls sich jetzt jemand Sorgen um mein Zeitmanagement oder meinen mentalen Zustand macht: seid beruhigt, bisher ist das alles noch Teil des Vergnügens, sich ein neues Werkzeug gründlich anzueignen. Es hilft auch dabei, mich nochmal daran zu erinnern, dass die Menüführung bei Tante Garmine auch keinen Usability-Preis gewonnen hätte.

P.S.: Im zweiten Anlauf hat es funktioniert – sehr schick, weil ich beim Schwimmen bisher immer Bruttozeit mit allen Wenden und kurzen Pausen am Rand gerechnet hatte, die zählt die Uhr nicht mit, so dass ich laut Uhr auf einen Schnitt von 2’11 auf 100 m komme. Wenn sie da mal nicht hochstapelt, denn sie hat 1525m gemessen, und das wäre eine ungerade Bahnenanzahl.