Sonntagsstrecken – Asics Grand 10

Seit einer Woche verfolge ich den Wetterbericht und sehe zu, wie er für heute immer grauer und nasser wird. 85% Regenwahrscheinlichkeit. Was tut die Erstwettkampfläuferin denn da in den Kleiderbeutel? Was ziehe ich an? Was frühstücke ich? Frühstück war noch die leichteste Entscheidung: zwei Butterbrezeln und Tee (der BäckerMann am Südwestkorso macht die besten Laugenbrezeln von ganz Berlin, echt wahr). Mit Butterbrezeln wurde ich großgezogen, das kann keine schlechte Läufernahrung sein.

Es schrieben schon eine Menge Leute, es würde beim Laufen schon warm werden, als aber meine Kollegen in mehreren Schichten und z.T. ganz außen sogar mit Regenschutz da stehen, wird mir ganz anders beim Gedanken, obenrum nur im – immerhin langärmeligen – Funktionsshirt loslaufen zu wollen. Der Kollege, der immer so gut sortiert und auf alle Eventualitäten eingestellt ist, leiht mir ein kurzärmeliges Teil zum Drunterziehen, da geht’s mir schon besser – Regenjacke? Nö! Genial war aber dieser Tipp: die praktische Mülltüte mit Löchern für Kopf und Arme. Knielang, sehr schick, etwas laut raschelnd beim Warmlaufen, aber wärmt tadellos. Die großen Jungs dürfen sich weiter vorne aufstellen, ich stehe nach dem Abstecher in die Dixiekloschlange in Block 4. Irgendwann setzt die Masse sich in Bewegung. Lustig: ich wusste nicht, dass die Zeitnahmechips über der Startmatte alle fiepen. Es wird ja immer gewarnt, am Anfang nicht zu schnell loszulaufen. Offensichtlich haben alle 6000 vor mir die Warnung gehört und sich sehr zu Herzen genommen: es geht echt nicht voran. Kurz frage ich mich, ob der Zickzacklauf sinnvoll ist, oder ich womöglich die einzige sein werde, die in zwei Kilometerchen hechelnd eine Gehpause einlegen muss, aber so geht das wirklich nicht. Ich versuche, breitschultrigen Männern hinterherzulaufen und die Schneise zu nutzen, die die sich durch die Massen bahnen, aber so viele gibt es davon nicht, und es bleibt beim Zickzack. Ein bisschen schneller als „Lockerer DL“ darf das doch hier werden?

Mit den ersten KM-Schildern bin ich nicht so zufrieden, der Zickzackkurs kostet Zeit, aber egal, es läuft einfach, es ist leicht! Eine rote Ampel kurz vor dem Charlottenburger Tor lässt mich kurz stutzig werden und für den Bruchteil einer Sekunde frage ich mich, ob uns die was angeht – natürlich nicht, ich Dusselin! Gelegentlich steht ein bisschen Publikum rum, aber eher wenig. Offensichtlich konnten heute nur sehr wenige Aktive ihre Lieben überreden, bei dem Wetter vor die Tür zu gehen. Siegessäule – prima, den Kreisverkehr einfach mal zu Fuß nehmen! Hofjägeralle, hier wird das Überholen einfacher. Bei den nordischen Botschaften rechts, dann am Kanal rechts Richtung Zoo. Darauf habe ich mich besonders gefreut, und ich bin begeistert, so nah an den Nashörnern vorbei zu kommen – was die wohl denken, wenn eine riesige Herde kleinere Tiere wie verrückt an ihnen vorbei rennt? Die müssen von Löwen verfolgt werden? Die Belegschaft des Zoorestaurants steht in roten Schürzen am Weg und jubelt uns mit La Ola zu. Super – und dann geht es auch schon wieder durchs Elefantentor aus dem Zoo hinaus. Es läuft immer noch leicht und nachdem die schmalen Wege im Zoo doch recht voll und dadurch ein bisschen langsamer waren, beschließe ich, so langsam mal einen Zahn zuzulegen. Es geht die Budapester, nach einer Linksrechtskombination die Kantstraße entlang. Eine ältere Läuferin, sehr klein, sehr drahtig mit grauem Haar überholt. Prima, an der bleibe ich dran, die hat’s drauf. Es ist so leicht, es fliegt fast. So langsam freunde ich mich mit den KM-Markierungen wieder an: wunderbar, ich werde unter einer Stunde bleiben.

Am Anfang der Schloßstraße ist einer unterwegs, der Laufveranstaltungen blöd findet. Er beschimpft uns laut und brüllt, wir sollen abhauen. Eine Frau neben mir lacht: „und ich dachte, der feuert uns an“ Wir wollten sowieso nicht verweilen. So langsam wird es Zeit für einen kleinen Endspurt – den ich aber kurz vor dem Zieltor vergesse zu einem konsequenten Ende zu bringen, weil eine Freundin in der Menge steht und jubelt. Ich freu mich, winke und lache und bin auch schon durchs Aufblastor. Dass ich die Uhr anhalten könnte, fällt mir erst ein, als mir schon eine Medaille umgehängt wird (jetzt bin ich gespannt auf die Ergebnisse von der Website). Kleiderbeutel holen, Becher mit Tee und diversen Wasservarianten des Sponsors greifen, Chip abgeben, schon vorbei? Da sind meine Kollegen, die waren natürlich schneller, aber so viel auch nicht. Jungs, zieht euch warm an, nächstes Jahr müsst ihr euch echt anstrengen, wenn ihr den Vorsprung halten wollt! Freundin finden, kurz um den Hals fallen, überhaupt nicht erschöpft sein, vom Kollegen nach Hause fahren lassen, Badewanne, Eis essen, Tee trinken, ein wunderbarer Sonntag!

P.S.: Inzwischen sind die Ergebnisse online: 57:24 – beim ersten Mal ist es immer PB…