Mehr Tourismus: Gjirokastër und Antigonea

Eigentlich wollte ich laufen, aber das Rauschen des Regens hat die ganze Nacht nicht nachgelassen, die Wetter-App macht wenig Hoffnung, dass sich das vor dem Frühstück ändern könnte, da habe ich es einfach gelassen.

Als wir aus dem Hotel treten, brauchen wir gleich wieder den albanischen Schirm. Erstmal Kaffee trinken, dann weiter sehen. Das ist gut, denn der Regen hört derweil auf.

Gjirokastër im Regen

Titus hat keine Lust auf die Festung, Aussicht hin oder her, lieber drehen wir eine Runde durch die Altstadt und versuchen, ob wir näher an die alten Weltkulturerbe-Steinhäuser drankommen.

Gjirokastër

Wir steigen immer höher, bald können wir die Burg von oben sehen. Die Häuser werden neuer und kleiner, vor einem zeichnet ein älterer Mann Schnittlinien auf grau-ockerfarbene Schieferplatten. Titus fragt ihn auf Griechisch, was er da macht, da zeigt er es uns in seinem Hof: er verkleidet eine Betontreppe mit den Platten. Es sieht sehr professionell aus, das hat er in einer Schule fürs Bauwesen gelernt. Wir loben seine Arbeit, und er bietet uns erstmal einen Schnaps an, den ich ablehne, aber Titus nimmt einen. Der Mann heißt Burhan, die beiden unterhalten sich ein bisschen, dann zeigt er uns den Weg zu einer alten Steinbrücke von Ali Pascha. Ich mache noch ein Bild von Burhan und Titus mit der Brücke im Hintergrund, dann verabschieden wir uns.

Titus und Burhan

Die Brücke führt über ein steiles Tal und hat drei Bögen. Wir verpassen eine Abzweigung und landen unter der Brücke. Das sieht großartig aus, aber es ist eine bekloppte Idee, einfach den Hang hochzuklettern. Vom Regen ist der Boden nass und rutschig, und im Gras, an dem wir uns festhalten, sind viele dornige Dinge. Dennoch gelingt es, zuerst in den seitlichen Brückenbogen und dann ganz hochzukrabbeln. Wir sind aber ziemlich eingesaut. Die Brücke ist etwa anderthalb Meter breit und hat kein Geländer, das ist nicht schlimm, aber viel schmaler dürfte sie für mich nicht sein. Wir nehmen einen anderen Rückweg und stellen fest, dass die Girokastrer ihren Müll gerne einfach hinter den Häusern ins Tal kippen.

Zurück im Ort stärken wir uns erstmal, damit wir am Nachmittag noch einen Ausflug nach Antigonea schaffen. Antigonea liegt auf einem Hügel auf der anderen Seite des Drino-Tals. Es ist eine weitläufige antike griechische Siedlung, die auf Pyrrhus zurück gehen soll (genau, der mit dem teuer bezahlten Sieg). Schon die Straße dorthin ist großartig, die Aussicht wird imme besser, und als wir auf den Parkplatz von Antigonea kommen, stehen dort ein Bus und ein PKW. Ein alter Mann verkauft Tickets für 200 Lek. Eine italienische Gruppe kommt uns entgegen, eine Frau erklärt uns, das dies ein großartiger Ort ist, das hören wir gern. Es ist wirklich ein großartiger Ort, mit beeindruckenden Ruinen – die Stadt war mal richtig groß. Noch beeindruckender ist aber die Aussicht Richtung Gjirokaster, denn über die gegenüberliegende Bergkette wälzt sich eine dunkle Gewitterwand. Sicherheitshalber gehen wir langsam zurück, aber das Gewitter bleibt über Gjirokaster hängen, das sieht aus der Ferne höchst spektakulär aus.

Wetter

Auf dem Rückweg treffen wir in einem der Dörfer den Ticketverkäufer, der winkt und fragt, ob er mitfahren darf. Wir nehmen ihn gerne mit. Griechisch kann er nicht, und mit unserem Albanisch ist es auch nicht weit her. Es reicht immerhin, um Antigonea zu loben.

Gjirokastër

Es dauert, bis wir gefrühstückt und uns zigmal von Mila und Iliri verabschiedet haben. Die ganze Nacht hat es erst gewittert und dann durchgeregnet. Gegen elf wird es besser, aber vermutlich nur an der Küste, fürs Landesinnere ist Dauerregen angesagt. Irgendwann fahren wir doch noch los. Nochmal am Blue Eye vorbei, über den Pass von Muzinë hinunter ins Drinos-Tal. Zufällig sehn wir eine alte Steinbrücke, Titus hält geistesgegenwärtig an und wir besichtigen das erste touristische Highlight des Tages.

Drino-Brücke

In Gjirokastër schüttet es wie aus Eimern, senkrechter, nasser Regen. Iliri hat für uns im Hotel Kalemi reserviert, das liegt nach meiner Karte in der Altstadt. Ich lotse Titus eine gepflasterte Straße hinauf, die sich als so steil erweist, dass ich fürchte, wir könnten hintenüberfallen. Wir zweifeln, ob das hier überhaupt für Autos vorgesehen ist, aber es kommen welche entgegen. Irgendwann reicht es, Titus parkt ein, und wir beschließen, noch einen Moment zu warten bis der Regen nachlässt und das Hotel dann lieber zu Fuß zu suchen.

Wir trinken im alten Basar einen Kaffee und fragen dann den Wirt nach dem Weg. Das ist vernünftig, das Hotel ist gar nicht weit, und wir finden heraus, dass wir sogar mit dem Auto im Hof parken können. Gut, dass wir das Gepäck nicht gleich mitgeschleppt haben. Das Hotel ist eines der alten Steinhäuser, es wurde vor fünfzehn Jahren renoviert. Überall stehen alte Truhen herum, Bänke und Tische mit Spitzendeckchen und die Zimmer haben schmale Fenster und geschnitzte Holzdecken. Sehr schön! Weil es immer noch regnet machen wir erstmal ein Nickerchen.

Danach regnet es immer noch, es ist kalt und ungemütlich, und weil wir der irrigen Annahme aufgesessen sind, dass es hier erst wieder im November regnet, haben wir weder Regenjacken noch Schirm dabei. Ich bestehe darauf, einen zu kaufen, was sich als gar nicht so einfach erweist, denn in den ersten beiden Läden sind Schirme ausverkauft. Ein winziger Lebensmittelladen hat aber noch zwei da hängen. Ich wähle den größeren und bin sofort viel glücklicher als eben noch. Die Verkäuferin empfiehlt auch noch ein Restaurant, der Abend ist gerettet.

Im Kuka proben wir Qöfte, Qifqi, das sind gewürzte Reisbällchen und eine Art Kohlstrudel, mit dem ich mich aber nicht so anfreunden kann. Auf dem Heimweg schießt uns das Wasser in Sturzbächen die steilen Straßen herunter entgegen, fließt durchs Gewebe in die Schuhe und oben wieder heraus. Aber egal, Hauptsache, wir haben einen guten Schirm.