Sonntagsstrecken – über Wasser laufen

Es war sicher keine besonders originelle Idee heute zum Wannsee zu fahren. Halb Berlin wollte wissen, wie es ist, „über Wasser zu laufen“. Das, was Garmin hinterher ausspuckt, sieht jedenfalls danach aus:

Wannsee

In Wirklichkeit ist es natürlich ganz anders: Während an der Dampferanlegestelle sich die Massen lustigerweise auf einem fünf Meter breiten Trampelpfad als Kolonne bewegen, ist es schon ein kleines bisschen daneben gar nicht mehr voll. Es liegt Schnee, und wie schon seit Wochen finde ich es ziemlich anstrengend, auf diesem Untergrund zu laufen. Aber es soll ja der Kraft, Koordination und was weiß ich noch allem dienen. Ich versuche, unter den vielen Fußspuren zu lesen, ob Läufer dabei waren, bin aber nicht sicher, ob ich sie erkennen würde. Das da sind meine:

Fußspur

In den meisten Wintern wird eine Fahrrinne der Havel mit Eisbrechern frei gehalten, aber dieses Jahr kann man bis nach Kladow hinüber laufen – das muss ich natürlich auch tun, zumindest einmal das unebene Eis der Fahrrinne überqueren, in der spitze Eisschollen aus der glatten Fläche ragen, wie sie eben festgefroren sind. Kurz frage ich mich, ob das sicher ist, denn hier sind sehr wenige Fußspuren. Aber es gibt welche, also wird es mich auch tragen.

Diese Boje ist sozusagen arbeitslos.

Boje

Nach dem Wenden stelle ich plötzlich fest, dass ich auf dem ganzen Hinweg Rückenwind hatte, der jetzt überraschenderweise von vorn kommt. Komisch, das war mir gar nicht aufgefallen. Ich werde noch langsamer, aber das macht ja nichts. Am Ende sind es nur rund 8 km gewesen, aber auch das macht nichts, denn das heute war wieder ein ganz besonderer Lauf.

Meditation über Rossmann P –>

Es ist kalt, es ist schlecht geräumt, ein Bekannter von tinadoro ist beim Laufen gestürzt und hat sich ein Bein gebrochen, ich bin vernünftig/vorsichtig und gehe ins Fitness Studio aufs Laufband. Ich nehme mir vor, es einfach meditativ zu sehen und mich nicht zu langweilen. Na dann, Musik auf die Ohren und los. Die Fernseher nerven total. Ich versuche drunter durch zu schauen, aber auf zwei Bildschirmen in meinem Gesichtsfeld flimmern nervige Bilder, die ich schlecht ignorieren kann – links etwas über Hygiene in verschiedenen Sorten öffentlicher Toiletten, rechts vor allem Werbung. Ich nehme die Brille ab, das hilft, ich erkenne das Geflimmer nicht mehr, es ist nur noch bunt und bewegt und lenkt viel weniger ab. Was ich noch erkenne, wenn auch unscharf, ist ein Schriftzug und ein Parkhaus-P an der hässlichen Fassade gegenüber:

Rossmann P -->

Ich starre darauf, weiß, dass in dem O eine Art Zentaur zu sehen ist, den ich aber nicht sehen kann. Ich frage mich, ob der wohl schnell ist. Schneller als ich bestimmt – warum ist es auf dem Laufband nur so viel mühsamer als draußen? Es kann doch nicht sein, dass der Garmin dauernd schummelt? Jedenfalls nicht so sehr. „Ross-mann-Peeeh, Ross-mann-Peeh…“ ich merke, wie ich im Kopf versuche den Schriftzug rhythmisch zu lesen, als wäre es eine Parole auf einer Demonstration. Aber selbst, wenn ich das Peee dehne, haut es mit dem Atmen nicht richtig hin.

Nach einer Stunde springt das Laufband plötzlich ins Cooldown-Programm – Mist, ich hatte am Anfang einfach auf Quickstart und manuelle Eingabe gedrückt. He! Meine 12km sind noch nicht fertig! Ich trickse das Cooldown-Programm aus und stelle manuell immer wieder die Geschwindigkeit hoch. Als es fertig ist, bleibt das Band trotzdem stehen. Schnell die Zahlen gemerkt, das bringt auf die letzten Kilometer wenigstens noch ein bisschen Gelegenheit zum Kopfrechnen. Und schnell wieder einschalten und weiter geht’s. Lustig: ich höre Animal Collective – Merriweather Post Pavillion. Ein Stück heißt „No more runnin“. Ich muss lachen, schön wär’s, aber ich bin noch nicht fertig. Tapfer mache ich wenigstens die 12km voll und komme mir trotzdem vor, als wäre es längst nicht genug.
Auf dem Heimweg begegnet mir eine Läuferin. Sie ahnt nicht, wie sehr ich sie in dem Moment beneide – und mich ein ganz kleines Bisschen über meine Vorsicht ärgere.

Blaue Flaschen

Das Thema des Tages ist ja wohl definitiv, wie dietzrun so schön geschrieben hat, der KraftAusdauerKoordinationsLauf. Auch ich habe mich über Gehwege in unterschiedlichsten Räumungszuständen (sehr gut zu laufen: festgewalzter Schnee mit Streusplit, schlecht zu laufen: angesalzte knöcheltiefe Pampe), durch ein größeres Kleingartengebiet (Wege durch unregelmäßiges Zertrampeln schwer zu laufen), bis zum und einmal durchs Schöneberger Südgelände (dito) und wieder zurück gekämpft. Heute war’s tatsächlich kämpfen, und ich musste gelegentlich wegen wackeliger Beine ein Gehpäuschen einlegen. Sehr willkommen war daher auch ein Fotopäuschen: In einem Schrebergarten stand dieser mit blauen Flaschen geschmückte Baum, der inmitten der Schneelandschaft heute einen besonders wirkungsvollen Auftritt hatte.

Baumblau

Doofe Idee: drinnen laufen

„Runner’s low, muntert mich mal auf“ – andererseits brauche ich eigentlich keine richtige Aufmunterung, denn es ist total klar, was aufmuntern könnte – frische Luft! Also jammere ich eben ein wenig rum: Ich war auf dem Laufband. Es war heiß, es war anstrengend, es war laaaaangweilig, ich war schrecklich langsam, und weit gekommen bin ich auch nicht, denn der Schweinehund, zu dem ich sonst so ein entspanntes Verhältnis habe, hat mich ständig in die Waden gezwickt. Leider bin ich nicht so ein Gleichgewichtswunder – ich habe bei den Wegverhältnissen da draußen ernste Bedenken, mich slapstickmäßig zu Boden zu werfen. Aber vielleicht taut’s oder schneit’s bis übermorgen, ganz egal, ich will wieder draußen laufen…