Von Gjirokastër nach Përmet

Vor der Abreise aus Gjirokastër haben wir noch Pläne: Kaffee trinken und das Zekate-Haus besichtigen. Vor den Cafés des alten Basars sitzen wie immer die alten Männer und erzählen sich was, irgendwie gemütlich, auch wenn es mich ein wenig verstimmt, dass ältere Frauen fast nur mit Einkaufstaschen zu sehen sind und nie einfach nur vor dem Café rumsitzen. Jüngere Menschen scheinen tagsüber sowieso anderweitig beschäftigt zu sein.

Papou

Das Zekate-Haus ist ein Wehrturmhaus, aber eines, das wohl eher ein Angebermodell war. Von vorne sieht es sehr wehrhaft aus, aber von hinten hätte man einfach reinspazieren können. Es ist niemand da, der   Eintrittskarten verkauft, wir dürfen einfach hineingehen. Das Haus ist unglaublich beeindruckend.

Zekate-Haus

Unten gibt es eine Zisterne – heutzutage in Form eines Wasserhahns – und Platz für Tiere und Lagerräume, darüber Räume für Bedienstete, dann die Winterräume und ganz oben die Sommerräume. Da es außerhalb der Saison offensichtlich keine Sachverständigen gibt und die Erklärungstafel vermutlich mit Google-Translate übersetzt wurde, müssen wir uns vieles zusammenreimen.

Sommerwohnraum

Die Fahrt nach Përmet dauert knapp zwei Stunden, unterwegs sehen wir einen sehr unordentlichen Autofriedhof, viele Stellen, an denen zum Gedenken an Unfalltote richtige Grabsteine mit Zäunen und Kunstblumen aufgestellt wurden, Berge, die Schlucht von Këlcyrë, den Ort Këlcyrë, wo es in jedem Laden Kunstblumen zu kaufen gibt.
Als eine große Schaf- und Ziegenherde die Straße quert, macht Titus den Motor aus und wir schauen zu. Am Ende winkt Titus noch den Schäfer vorbei, aber der kommt ans Fenster und schenkt uns Weintrauben. Vielleicht hat es ihm gefallen, dass wir so geduldig waren.

Wir mieten uns in Përmet im Hotel Ramizi ein, und ziehen gleich los. An einem Laden an der Hauptstraße sehe ich einen Albanien-Schal hängen. So einen hatte Klodi vorne auf dem Armaturenbrett liegen, und Titus hatte sich in den Kopf gesetzt, auch einen in unserem Leihauto zu drapieren. Endlich gibt es mal einen. Wir parken, gehen rüber und Titus fragt auf griechisch nach dem Preis. Der Mann, der vor dem Laden steht sagt 5000 Lek. Titus fängt an zu argumentieren, dass er sich dafür ja in Deutschland Schals für die gesamte Bundesliga kaufen könne. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das richtig ist, frage mich, ob der Mann uns Böses wollen könne und halte es dann doch für ein Missverständnis. Die beiden diskutieren immer weiter, ich gehe in den Laden hinein und frage die Frau hinter dem Tresen in meinem besten Albanisch „Sa kushton kjo?“ – was kostet das, und zeige auf den Schal. Der Haken an dieser Frage ist, dass albanische Zahlen dermaßen unverständlich sind, dass ich die Antwort nie verstehe. Aber dafür gibt es in den Läden ja Taschenrechner. Sie tippt 500 ein, und da fällt uns wieder ein, was das ist: irgendwann gab es eine Währungsreform, bei der dem Lek eine Null weggenommen wurde. Ältere Leute benutzen die Null aber im Sprachgebrauch immer noch, das heißt, sie sagen 5000, meinen aber 500. Als die Frau an mir vorbei geht, um den Schal mit einer langen Stange herunterzuholen, kneift sie mich freundlich, aber kräftig in die Seite und lacht dazu. Wir bekommen den Schal und Titus kann das Auto dekorieren.

Wir essen nebenan noch eine Suppe und machen dann einen Ausflug zu den heißen Quellen von Banjat e Benjës. Es gibt viele Thermalquellen in der Gegend, aber die hier liegt direkt hinter einer schönen Steinbogenbrücke.

Thermalquelle hinter Brücke

Im Thermalbecken sitzen einige TouristInnen, wir ziehen uns Badesachen an und klettern auch rein. Es macht Spaß sich auf dem Rücken treiben zu lassen und ein wenig umher zu tauchen. Wieso ist das Wasser so türkis? Es riecht ganz leicht nach gekochten Eiern, das ist bestimmt gut für die Haut. Die französischen TouristInnen gehen, andere kommen, wir bleiben ganz lange, denn es ist so schön aus dem warmen Wasser auf die wunderbare Gegend zu schauen. Als wir zurück gehen, sitzt in dem anderen Becken direkt unterhalb der Brücke ein alter Mann mit einem Stock und singt.

Auf dem Rückweg besuchen wir noch die Kisha Shën Mërise, die Marienkirche aus dem 17. Jahrhundert. Die ist gar nicht so leicht zu erreichen, denn der Fußweg fühlt sich viel weiter an als der Reiseführer behauptet. Der Pfad geht steil bergauf, der Wald riecht gut. Die Kirche liegt ganz verwunschen kurz vor dem Dorf Leusë im Wald. Wir haben Glück, denn es ist offen. Die Wanderer, die uns unterwegs überholt haben, haben anscheinend im Dorf die Frau mit dem Schlüssel gefunden. 

Kisha Shën Mërise

Mehr Tourismus: Gjirokastër und Antigonea

Eigentlich wollte ich laufen, aber das Rauschen des Regens hat die ganze Nacht nicht nachgelassen, die Wetter-App macht wenig Hoffnung, dass sich das vor dem Frühstück ändern könnte, da habe ich es einfach gelassen.

Als wir aus dem Hotel treten, brauchen wir gleich wieder den albanischen Schirm. Erstmal Kaffee trinken, dann weiter sehen. Das ist gut, denn der Regen hört derweil auf.

Gjirokastër im Regen

Titus hat keine Lust auf die Festung, Aussicht hin oder her, lieber drehen wir eine Runde durch die Altstadt und versuchen, ob wir näher an die alten Weltkulturerbe-Steinhäuser drankommen.

Gjirokastër

Wir steigen immer höher, bald können wir die Burg von oben sehen. Die Häuser werden neuer und kleiner, vor einem zeichnet ein älterer Mann Schnittlinien auf grau-ockerfarbene Schieferplatten. Titus fragt ihn auf Griechisch, was er da macht, da zeigt er es uns in seinem Hof: er verkleidet eine Betontreppe mit den Platten. Es sieht sehr professionell aus, das hat er in einer Schule fürs Bauwesen gelernt. Wir loben seine Arbeit, und er bietet uns erstmal einen Schnaps an, den ich ablehne, aber Titus nimmt einen. Der Mann heißt Burhan, die beiden unterhalten sich ein bisschen, dann zeigt er uns den Weg zu einer alten Steinbrücke von Ali Pascha. Ich mache noch ein Bild von Burhan und Titus mit der Brücke im Hintergrund, dann verabschieden wir uns.

Titus und Burhan

Die Brücke führt über ein steiles Tal und hat drei Bögen. Wir verpassen eine Abzweigung und landen unter der Brücke. Das sieht großartig aus, aber es ist eine bekloppte Idee, einfach den Hang hochzuklettern. Vom Regen ist der Boden nass und rutschig, und im Gras, an dem wir uns festhalten, sind viele dornige Dinge. Dennoch gelingt es, zuerst in den seitlichen Brückenbogen und dann ganz hochzukrabbeln. Wir sind aber ziemlich eingesaut. Die Brücke ist etwa anderthalb Meter breit und hat kein Geländer, das ist nicht schlimm, aber viel schmaler dürfte sie für mich nicht sein. Wir nehmen einen anderen Rückweg und stellen fest, dass die Girokastrer ihren Müll gerne einfach hinter den Häusern ins Tal kippen.

Zurück im Ort stärken wir uns erstmal, damit wir am Nachmittag noch einen Ausflug nach Antigonea schaffen. Antigonea liegt auf einem Hügel auf der anderen Seite des Drino-Tals. Es ist eine weitläufige antike griechische Siedlung, die auf Pyrrhus zurück gehen soll (genau, der mit dem teuer bezahlten Sieg). Schon die Straße dorthin ist großartig, die Aussicht wird imme besser, und als wir auf den Parkplatz von Antigonea kommen, stehen dort ein Bus und ein PKW. Ein alter Mann verkauft Tickets für 200 Lek. Eine italienische Gruppe kommt uns entgegen, eine Frau erklärt uns, das dies ein großartiger Ort ist, das hören wir gern. Es ist wirklich ein großartiger Ort, mit beeindruckenden Ruinen – die Stadt war mal richtig groß. Noch beeindruckender ist aber die Aussicht Richtung Gjirokaster, denn über die gegenüberliegende Bergkette wälzt sich eine dunkle Gewitterwand. Sicherheitshalber gehen wir langsam zurück, aber das Gewitter bleibt über Gjirokaster hängen, das sieht aus der Ferne höchst spektakulär aus.

Wetter

Auf dem Rückweg treffen wir in einem der Dörfer den Ticketverkäufer, der winkt und fragt, ob er mitfahren darf. Wir nehmen ihn gerne mit. Griechisch kann er nicht, und mit unserem Albanisch ist es auch nicht weit her. Es reicht immerhin, um Antigonea zu loben.

Gjirokastër

Es dauert, bis wir gefrühstückt und uns zigmal von Mila und Iliri verabschiedet haben. Die ganze Nacht hat es erst gewittert und dann durchgeregnet. Gegen elf wird es besser, aber vermutlich nur an der Küste, fürs Landesinnere ist Dauerregen angesagt. Irgendwann fahren wir doch noch los. Nochmal am Blue Eye vorbei, über den Pass von Muzinë hinunter ins Drinos-Tal. Zufällig sehn wir eine alte Steinbrücke, Titus hält geistesgegenwärtig an und wir besichtigen das erste touristische Highlight des Tages.

Drino-Brücke

In Gjirokastër schüttet es wie aus Eimern, senkrechter, nasser Regen. Iliri hat für uns im Hotel Kalemi reserviert, das liegt nach meiner Karte in der Altstadt. Ich lotse Titus eine gepflasterte Straße hinauf, die sich als so steil erweist, dass ich fürchte, wir könnten hintenüberfallen. Wir zweifeln, ob das hier überhaupt für Autos vorgesehen ist, aber es kommen welche entgegen. Irgendwann reicht es, Titus parkt ein, und wir beschließen, noch einen Moment zu warten bis der Regen nachlässt und das Hotel dann lieber zu Fuß zu suchen.

Wir trinken im alten Basar einen Kaffee und fragen dann den Wirt nach dem Weg. Das ist vernünftig, das Hotel ist gar nicht weit, und wir finden heraus, dass wir sogar mit dem Auto im Hof parken können. Gut, dass wir das Gepäck nicht gleich mitgeschleppt haben. Das Hotel ist eines der alten Steinhäuser, es wurde vor fünfzehn Jahren renoviert. Überall stehen alte Truhen herum, Bänke und Tische mit Spitzendeckchen und die Zimmer haben schmale Fenster und geschnitzte Holzdecken. Sehr schön! Weil es immer noch regnet machen wir erstmal ein Nickerchen.

Danach regnet es immer noch, es ist kalt und ungemütlich, und weil wir der irrigen Annahme aufgesessen sind, dass es hier erst wieder im November regnet, haben wir weder Regenjacken noch Schirm dabei. Ich bestehe darauf, einen zu kaufen, was sich als gar nicht so einfach erweist, denn in den ersten beiden Läden sind Schirme ausverkauft. Ein winziger Lebensmittelladen hat aber noch zwei da hängen. Ich wähle den größeren und bin sofort viel glücklicher als eben noch. Die Verkäuferin empfiehlt auch noch ein Restaurant, der Abend ist gerettet.

Im Kuka proben wir Qöfte, Qifqi, das sind gewürzte Reisbällchen und eine Art Kohlstrudel, mit dem ich mich aber nicht so anfreunden kann. Auf dem Heimweg schießt uns das Wasser in Sturzbächen die steilen Straßen herunter entgegen, fließt durchs Gewebe in die Schuhe und oben wieder heraus. Aber egal, Hauptsache, wir haben einen guten Schirm.