Potsdamer Schlösser(halb)marathon – wieder was gelernt

Tinadoro und ich reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln an. U-Bahn zum Zoo, von dort mit der Regionalbahn nach Potsdam. Am Hauptbahnhof soll es einen Busshuttle zum Luftschiffhafen geben (finde ich prima, dass das Stadion so heißt), aber bevor wir den finden, kommt eine Straßenbahn, der Fahrer steigt aus und ruft „Nur Läufer! Nur Läufer!“ – super, mit der Sonderstraßenbahn zum Halbmarathon, das gefällt mir. Wir haben genügend Zeit, geben unsere Beutel ab und treffen dann stachel, renbueh und erbse mit ihren Supportern auf eine nette Plauderei am Bierstand. Das „Vorher-Foto“ wurde ja bereits veröffentlicht. Irgendwann gehen wir zum Start – ich bin etwas verwundert, dass es keine Startblöcke gibt, schließlich will ich niemandem vor den Füßen rumlaufen. Wir stehen ungefähr in der Mitte, da sind die Veranstalter jetzt einfach mal selber Schuld.

Startschuss – es geht los, nur um sich am Stadionausgang gleich wieder zu stauen, da macht sogar Garmine eine Autopause. Die ersten 3,5km geht es immer geradeaus die Zeppelinstraße entlang. Kaum ist mir der recht lahme Kalauer rausgerutscht, dass es hier ja „wie auf Schienen“ läuft, frage ich mich, wie oft die Straßenbahngleise sich das heute wohl anhören müssen. Da sagt es hinter uns schon der nächste. Nun ja, wir sind ja auch nicht zum geistreich sein, sondern zum Laufen hier.

Den ersten Versorgungsstand ignorieren wir, beim zweiten fangen wir an, Wasser zu trinken. Dort kippe ich mir noch zaghaft den Rest aus dem zweiten Becher übers Hemd und stelle fest, das ist ja prima, das mache ich jetzt immer so. Wasser ist toll! Als wir im Babelsberger Schlosspark am Strandbad entlang laufen, geht mir kurz der ketzerische Gedanke durch den Kopf, ob ich jetzt lieber auf der anderen Seite des Zauns wäre. Aber nein, eigentlich nicht. Der kleine Hund, der mit seinem Frauchen bisher immer kurz vor uns lief, macht hier etwas schlapp, Frauchen fällt daher ebenfalls zurück. Kurz nach dem Parkausgang, wenn ich mich richtig erinnere, jubeln wieder die Supporter der Laufzwillinge netterweise auch uns zu, danke Schalk!

Das krumme Kopfsteinpflaster ist nicht schön zu laufen, aber da erreichen wir auch schon die Glienicker Brücke, kurz danach ist die Hälfte schon geschafft. Am Verpflegungspunkt 3 schütte ich mir gleich einen ganzen Becher über den Nacken und trinke zwei leer, das Shirt ist klatschnass, mir ist gar nicht heiß. Im Neuen Garten fange ich ein Steinchen im Schuh. Einige hundert Meter versuche ich es wegzuschütteln, dann kommt der verwunschene Abschnitt zwischen großen Bäumen und Büschen leicht bergauf, das Licht ist grünlich und die Luft tropisch hier, fast wie in einem Dschungel und wunderschön! Ich vergesse den Stein, was vielleicht ein Fehler ist, denn nach ein, zwei weiteren Kilometern kann ich mich nicht so recht entscheiden, ob er gefühlsmäßig zum Bachkiesel angewachsen ist, oder ob er alle seine Freunde eingeladen hat, um auf der am Ballen wachsenden Blase lustig Trampolin zu springen. Ich beschließe, dass ich das Elend lieber nicht genau sehen will, bevor alles vorbei ist.

Zur Ablenkung haben die Anwohner der Nauener Vorstadt ihre Rasensprenger und Gartenschläuche aufgefahren. Ein kleiner Junge ruft „wer will nassgespritzt werden?“ Ich werfe die Arme hoch und rufe „iiiiich!!!!“, schon laufe ich durch den Strahl, das macht Spaß. Tinadoro wird immer mal wieder schneller, aber ich bremse sie – und frage mich dabei, ob ich ihr womöglich den Spaß/die PB verderbe, aber wir liegen gut in der Zeit, und ich habe einfach das Gefühl, noch schneller wäre zumindest für mich nicht gut.

So richtig gesund scheint das alles ohnehin nicht zu sein, auf der Straße hinter Schloss Sanssouci sehen wir den zweiten Rettungswagen, aus dem hinten Laufschuhe herausragen. Ein Sanitäter auf dem Fahrrad ist eilig unterwegs und ein Läufer, der gestürzt ist, wird von einigen Helfern versorgt. Kurz komme ich ins Grübeln über das Überschreiten von Grenzen – wenn man nur immer wüsste, wo sie verlaufen. Aber der Weg führt leicht bergab, und für uns läuft es richtig gut. Der Weg, der vor dem Neuen Palais vorbei führt, ist dann sehr lang und gerade und die Blase macht sich deutlich bemerkbar. Danach geht’s aus dem Park heraus, die letzte Straße ist ein bisschen öd, aber immerhin einigermaßen schattig. Wir überholen mehr, als wir überholt werden, aber anders als in Berlin im März habe ich keine Reserven mehr, um noch zu beschleunigen. Egal, wir sind schnell genug. Der Weg ums Stadion herum zieht sich ein wenig, doch als wir dann auf der Tartanbahn sind, nehmen wir uns an den Händen und laufen gemeinsam zum Ziel. Unsere Schrittlänge passt eigentlich überhaupt nicht zusammen, wie ein kleiner ruckeliger Traktor wackeln wir aufs Ziel zu – aber das ist jetzt ja so egal, es ist ein bewegender Moment! Wir werfen noch einmal die Arme hoch und jubeln ein bisschen, wir haben es geschafft: 2:11:43!

Ach ja, die Überschrift: die Blase ist nicht so schlimm, zwar groooß, aber nicht blutig, und nachdem ich abends Blasenpflaster gefunden hatte, musste ich gleich gar nicht mehr humpeln. Aber: es ist ja wohl ganz schön bekloppt, so ein kleines Steinchen so eine große Blase verursachen zu lassen, nur weil ich keine Lust hatte, Zeit damit zu verschwenden, mir den Schuh neu zu schnüren.

Berlin ist ein Dorf

Frühstück: Speed-Bunny hat mir beim inzwischen vielfach besungenen Jogmapper-Treffen versichert, ich müsse mich nicht mit zwei Scheiben Toast zufrieden geben, es dürften auch Brötchen sein. Was ein Glück! Schon in Laufklamotten zum Bäcker gesaust – der hat noch zu. Durch ein offenes Fenster mein Dilemma erklärt (Ich brauche Brötchen! Jetzt gleich! Ich muss LAUFEN, ich bin so AUFGEREGT!), da hat die Bäckereifachverkäuferin ein Einsehen und reicht mir ein Mohn- und ein Sesambrötchen durchs Fenster.

U-Bahn-Fahrt: Der Kollege steht wie abgesprochen im zweiten Wagen, ich steige zu. Umsteigen klappt, doch an der Eisenacher Straße: tinadoro, meine liebe Sonntagslauffreundin, steht nicht da. Das kann eigentlich gar nicht sein. Der Kollege lässt sich überreden, auszusteigen und die nächste Bahn abzuwarten, doch tinadoro kommt nicht. Ich bin erschüttert, das sieht ihr gar nicht ähnlich! Sehr verwundert fahren wir mit der nächsten Bahn weiter.

Dixie-Schlange: Kleiderbeutel abgeben, den extra für tinadoro maßgeschneiderten Müllsack dem Kollegen überlassen und auf geht’s, die vermeintlich kürzeste Dixie-Schlange zu finden. Und, welche Überraschung: Hurra, da steht sie in der Schlange! Kaum zu glauben, dass es möglich ist, hier irgendwen zu finden. Das Missverständnis mit der U-Bahn wird aufgeklärt und wir machen uns auf zum Startblock E.

Kurz nach dem Start: Noch ein bekanntes Gesicht, Inumi! Wie schön, dich auch zufällig im Gewühle zu sehen, und genau wie du gesagt hast, wie schön, endlich ein Gesicht zum Blog zu kennen.

Brandenburger Tor: Tolle Kulisse, durchs Brandenburger Tor zu laufen. Und direkt davor mein Kleinstfanblock: meine Freundin Silke, die mir schon beim Asics Grand 10 zugejubelt hat. Wie nett, dass sie extra gekommen ist. Danke!

Am 17. Juni: Wie wunderbar, ich werde angefeuert, da stehen WWConny, renbueh und Schalk! Danke, das ist toll, ich freu mich, dass ich die drei gleich entdeckt habe. Ach Quatsch, die sind einfach nicht zu überhören!

Am Kudamm: Diese kleine rothaarige Frau dort… das könnte sie sein… Ich pirsche mich heran, schau sie von der Seite genauer an, und sie ist es: Stachel! Wie schön, dich unterwegs zu treffen. Nach ein paar freundlichen Sätzen laufe ich weiter, denn ganz offensichtlich habe ich die Zeit nicht ganz richtig eingeteilt, und noch jede Menge Reserven, die so langsam mal raus müssen.

Am Wittenbergplatz: Erst sehe ich tinadoros Familie mit einem Banner, wie schön. Und dann wird wieder mir zugejubelt von zwei Freundinnen, die bestimmt schon ewig drauf warten, dass ich endlich komme, denn der erste, den sie angefeuert haben, war schon nach 1:30 im Ziel. Aber sie haben ausgeharrt und ich freu mich so, sie zu sehen. Am Getränkestand stoßen tinadoro, mein Kollege und ich mit einem Becher Wasser auf tinadoros 1000. Kilometer an, der genau hier vollendet wird. Und auf den Halbmarathon natürlich. Und auf weitere tolle Läufe. PROST! Es geht immer noch leicht, es ist einfach wunderbar. Wir können sogar noch ein Zähnchen zulegen.

Kurz vor der Zielgeraden: nochmal Renbueh, Schalk und WWConny – diesmal haben sie mich zuerst gesehen, sie rufen „yazi!“ – ich bin gerührt und bekomme Gänsehaut. Namentlich zugejubelt zu bekommen, verleiht wirklich Flügel! Und überhaupt, das war Spitzenjubeln, ihr seid die Anfeuerungsköniginnen und -könig!

Noch kürzer vor dem Ziel: Jetzt gebe ich wirklich Gas, ich überhole viele Läuferinnen und Läufer, die sich ihre Kraft vielleicht gleichmäßiger und damit sinnvoller eingeteilt haben. Egal, überholen macht Spaß! Und da steht noch einmal Silke und ruft und winkt, ein letzter Endspurt, da ist das Ziel, die Matten fiepen, ich laufe noch ein ganzes Stück aus, bevor mir einfällt, die Uhr anzuhalten. Egal, die Zeit ist viel besser, als ich fürs erste Mal gehofft hätte (zu Hause im Internet lese ich dann genau nach: 2:17:08 – ich bin total glücklich).

Nach dem Ziel: Chip losbinden, Medaille entgegen nehmen, tinadoro ist auch schon da, und ganz kurz darauf auch der Kollege. Banane, lecker. Ich mag aber kein Wasser mehr trinken, ich will alkfreies Erdinger! Gibt’s auch gleich da hinten. Dann treffen wir Laufnad, die sehr begeistert ist und weiter hinten an den Kleiderlastern auch noch Vic97. Toll! Ein Wahnsinnserlebnis, und was ich am bemerkenswertesten fand, wie leicht es war, in diesen Massen so viele nette Menschen mehr oder weniger zufällig wieder zu treffen. Unglaublich, aber dass Berlin ein Dorf ist, ist ja bekannt.