Plan und Realität

Dienstreise mit Übernachtung im Hessischen. Der Trainingsplan, der mich auf kommenden Sonntag vorbereiten soll, verlangt noch mal 8 x 400 Meter in 2:07. Kein Problem, ich kann ja um sechs Uhr aufstehen und die letzen Intervalle auf der vom Hotel angepriesenen Nordic Walking Strecke laufen.

Als ich vors Hotel trete, dämmert es, der Himmel ist wunderschön, aber zwischen den Bäumen ist es stockfinster. Zuerst tappe ich ein wenig im Dunkeln – komisch, es sollte doch ausgeschildert sein? Ich entscheide mich für eine Straße, von der ich glaube, dass sie in die richtige Richtung führt. Im Wald kommt mir ein blinkendes Monster entgegen. Ich stelle mich an die Seite und lasse einen gewaltigen, rückwärts fahrenden Laster mit Blinklicht und einem Bagger auf der Ladefläche vorbei. Weiter geht’s. Bergauf. Hessen ist für eine Berlinerin ganz schön hügelig, ganz besonders für eine, die immer noch ein bisschen luftarm unterwegs ist. Aber erstmal einlaufen. Am Waldrand ist es heller, es gibt tatsächlich Schilder, und ich folge der Strecke, die über Wiesen und Felder führen soll. Als meine Einlaufkilometer vorbei sind, versuche ich zu beschleunigen. Garmine fiept mal wieder vorwurfsvoll: schneller, schneller! Ich kann nicht schneller, denn es geht jetzt auf holperigem Weg steil bergab, und ich habe Mühe, mich nicht zu überschlagen. Die Puste macht überhaupt nicht mit, ein Hustenreiz nervt. Was mache ich hier eigentlich?

Ich versuche eine Schnellbilanz: für Intervalle spricht der Plan. Dagegen spricht nicht nur, dass ich nicht genug Luft habe (als wäre das nicht Grund genug!), sondern auch die wunderschöne, aber denkbar ungeeignete Strecke, bergig, sehr holprige Wege. Außerdem: wenn ich den Plan einhalte, wird es ganz schön knapp mit der Zeit. Sollte ich nicht lieber den Lauf abkürzen, aber genießen, dann gemütlich frühstücken und dann in aller Ruhe in den Tag starten? Andererseits: es hat schon viel Spaß gemacht zu spüren, dass der Plan etwas bringt, dass ich wirklich schneller werde – vor dieser verdammten Erkältung. Egal, ich bin doch nicht Sklavin des Plans, und wenn ich kommenden Sonntag nicht unter 55 Minuten laufe, dann eben nächsten Monat oder übernächsten.

Ab da geht es mir wieder gut. Ich laufe den Rundweg ein zweites Mal, erschrecke versehentlich erst einen Spaziergänger mit Hund, der mir erzählt eigentlich ebenfalls Läufer zu sein, dann zwei Rehe. Die Kühe auf der Weide sind weniger schreckhaft. Der Sonnenaufgang ist spektakulär. Nach schlappen 7,5 km bin ich wieder am Hotel. Viel zu wenig, viel zu langsam, aber es war trotzdem ein schöner Start in den Tag.