Laufen unterwegs – Drehwurmnavigation

Meine Lieblingsfunktion der guten alten, herztransplantierten Garmine FR 305 ist es, auf gpsies.com erstellte Strecken von unbekannten Gegenden draufzuladen und dann abzulaufen. Das kleine Display zeigt eine sich windende schwarze Linie, die treffend benannte „Wurmnavigation“, es gibt darauf einen winzigen Pfeil, der in Laufrichtung zeigt, und wenn ich vom rechten Weg abkomme, fiept Garmine vorwurfsvoll, so dass ich den Kurs korrigieren kann.

Bevor ich auf Reisen gehe, suche ich immer interessant aussehende Strecken oder bastle mir meine eigenen, die dann praktischerweise direkt von meinem Hotel starten und mich wieder zurückführen. So auch letzte Woche, Arnstadt im schönen Thüringen war das Ziel. Der einzige Haken an Dezemberreisen sind die Lichtverhältnisse auf der Nordhalbkugel: vor und nach Feierabend ist es noch oder schon wieder dunkel, Läufe im Finstern durch unbekannte Wälder sind nicht so mein Ding. Nun ist Arnstadt nicht besonders groß, um also ein paar Kilometerchen ins Kopfsteinpflaster zu brennen, muss es schon kreuz und quer durch die Stadt gehen. Auf Gpsies sieht das super aus, es hat richtig Spaß gemacht, mir zu überlegen, wie ich möglichst viele Gassen, Tore und Kirchen der malerischen Altstadt berücksichtigen kann – der Lauf würde ein touristisches Highlight werden.

Kreuz und quer durch Arnstadt

Meine Kursteilnehmer an dem Tag sind fix unterwegs, das heißt, als ich nach Feierabend aus dem Hotel trete – Hotel Krone am Bahnhof, auf historischen Postkarten als „Erstes Haus am Platz“ gerühmt – wird es gerade erst dunkel. Garmine habe ich schon auf dem Fensterbrett nach Satelliten suchen lassen, ich brauche mich also nur in Bewegung zu setzen. Bis zum Stadtzentrum ist es leicht, auch der Neideckturm am Schloßplatz ist sehr leicht zu finden und schön angeleuchtet, so habe ich mir das vorgestellt. Es geht erst nach Süden, dann nach Westen aufs Riedtor zu – dort erkenne ich auf dem Display, dass ich dort später noch einmal von innen vorbei kommen werde. Aber noch bleibe ich außerhalb. Nach einer weiteren Schleife nach Süden halte ich mich parallel zur ehemaligen Stadtmauer, es geht ein wenig bergan, dann durch eine Villengegend abwärts zur Wilden Weiße, einen knappen Kilometer am Wasser entlang, dann wieder altstadteinwärts – und ab da wird es schwierig. Der Zickzackkurs durch die Altstadt sorgt dafür, dass der Wurm auf meinem winzigen Display einfach nicht mehr eindeutig zu erkennen ist, ständig beißt er sich in den Schwanz, kreuzt sich, ringelt sich um Kurven, so dass ich vollkommen die Orientierung verliere. Hui. Wäre ich in dem Moment etwas souveräner und abenteuerlustiger, würde ich die Uhr Uhr sein lassen und nur noch nach Gefühl laufen. Aber dazu bin ich manchmal zu zwanghaft – jetzt hatte ich mir schon diese 9km rausgesucht, jetzt will ich sie auch laufen – außerdem bin ich inzwischen zu desorientiert. Keine Ahnung, wo der Bahnhof ist. So kommt es, dass ich sehr häufig anhalten, das Licht an der Uhr einschalten muss, rausfinden, wo es jetzt langgeht, so dass beinahe die Schönheiten der Altstadt meiner Aufmerksamkeit entgehen. Nicht ganz, der Marktplatz ist sehr schön beleuchtet, ich nehme auch Liebfrauen-, Ober- und Bachkirche wahr und freue mich, als ich das Riedtor von der anderen Seite wieder erkenne. Die finstere Gasse an der Hohen Mauer ist zudem ziemlich abenteuerlich – aber wenn ich ganz ehrlich bin, bin ich zu einem nicht geringen Anteil meines Kopfs mit der Uhr befasst.

Als ich wieder im Hotel bin, muss ich ein bisschen über mich lachen – tststs, was hänge ich auch dermaßen an der Technik? Nächstes Mal lasse ich das mit der Uhr vielleicht und laufe einfach nur so kreuz und quer durch die fremde Stadt. So lange, bis ich keine Lust mehr habe, dann frage ich nach dem Bahnhof. Vielleicht…

Herzschrittmacher für Garmine

Mit dem Berlinmarathon war Garmine schon zehn Minuten vor mir fertig – schade nur, dass sie da noch nicht im Ziel war, sondern noch an mir dran hing, die noch anderthalb Kilometer vor sich hatte. Der Schalk sagte bei der Pizza danach, ich müsse ja nur schneller laufen, und eigentlich hatte ich mir das auch vorgenommen. Leider baute Garmines Kondition viel schneller ab, als ich meine aufbauen konnte, und als sie letzte Woche nicht mal ein Stündchen Heimweg durchhielt, musste ich mir eingestehen, dass fünf Jahre doch ein stolzes Alter für eine Laufuhr sind.

Dank Jogmap schlug mit diesem Stündchen aber glücklicherweise nicht ihr letztes, denn vor kurzem hatte candysmama im Forum das gleiche Problem geschildert, der langsame Lurch kannte es und postete die Lösung vom Hofpoeten. Vielen Dank an alle drei, denn das war die Idee: bei Amazon neuen Akku für knapp 11 Euro bestellen und selber austauschen.

Also fast selber, denn ich habe noch nie gelötet. Macht nix, im Anschluss an die Dienstreise ist ein Wochenende bei den Eltern geplant, mein Vater hat schon immer alles repariert und ich bin ziemlich sicher, dass es ihm Spaß machen wird, mir zu zeigen, wie es geht. Und so ist es. Er hebelt die Uhr auf, ich entferne alle Kleberreste von beiden Hälften. Kurz denkt er drüber nach, die ganze Platine auszubauen, weil es ordentlicher wäre, aber zum Glück schauen wir nochmal bei YouTube: ein Bastler zeigt, wie er einfach die Drähte des alten Akkus schon ein Stück vor der Platine kappt und die neuen einfach an die alten lötet. Das ist viel einfacher. Beim Löten schaue ich dann doch lieber zu, ich finde die Drähtchen sehr fein.

Garmine wird gerettet

Mit Doppelklebeband wird der neue Akku fixiert, das Gehäuse erstmal zugedrückt und getestet, ob Garmine sich einschalten lässt. Klappt. Klammer drum und ans Ladegerät gehängt, um zu sehen, ob sie sich laden lässt. Klappt auch. Als sie voll geladen ist, Superwunderkleber aus der Minitube in einer feinen Linie auf den Rand gezogen und nochmal mit Klemme feste zusammengedrückt. Eingeschaltet – klappt.

So, und jetzt ziehe ich mir Laufsachen an und wir ziehen los. Bin ganz zuversichtlich, dass sie jetzt wieder länger durchhält als ich.

Garmine allein zu Haus

Der Wecker meiner Läuferin klingelt um halb sechs – sie steht auch sofort auf und fängt an hektisch in der Wohnung rumzuwuseln. Bad, Küche, aus irgendwelchen absurden Gründen glaubt sie, die Verbindung, die sie sich gestern Abend ausgeguckt hat, wäre doch zu spät und legt ein sehr ungesundes Tempo vor. Alle möglichen Gegenstände fliegen noch in den Beutel. Ich liege auf dem Schreibtisch, an dem kommt sie leider nicht vorbei. Ich versuche zu fiepen, bin aber ausgestellt und es gelingt mir nicht. Wenig später klappt die Wohnungstür zu – weg ist sie. He, ich liege hier noch! Das kann doch jetzt nicht sein? Bei Feierabendläufen vergisst sie mich ja öfter mal, aber beim Wettkampf ist ihr das noch nie passiert. Meine Güte, ist die Frau verpeilt, dabei ist sie als alte Zahlenfetischistin ohne mich doch vollkommen aufgeschmissen. Nach Gefühl kann die doch gar nicht laufen. Pah, geschieht ihr recht! Die Badelatschen liegen auch noch im Flur und sind genauso empört wie ich.

Inzwischen ist sie wieder da. Sie hat einen Hasen gefunden, also eigentlich zwei. Der eine davon hatte eine Uhr und außerdem auch noch ähnliche Zielzeitvorstellungen, da hat sie sich einfach drangehängt. Es ist dann ihre zweitschnellste HM-Zeit geworden. Tja, den beiden ist sie jetzt furchtbar dankbar, dass sie mitlaufen durfte. Sie behauptet, sie hätte mich gar nicht vermisst. Wenn das stimmt, hätte sie es mir ja wenigstens nicht so unter die Nase reiben müssen.

Wenn sie das noch mal macht, trete ich in Streik. Dann soll sie mal sehen.

Gezeichnet
Garmine

Anmerkung der Läuferin: Danke an runandbike1 und Frank für den schönen Potsdamer Schlösserlauf, die sehr unterhaltsame Nachlaufwurst und die Heimfahrt. Das Wetter war perfekt, die Hasen großartig, und es hat riesig großen Spaß gemacht.