Auch diese Nacht gab’s Gewitter und Dauerregen. Aber nach dem Aufwachen bietet der Vjosa-Blick aus dem Hotelfenster Sonne über den schnellen, dunkelgrauen Wassermassen. Ich laufe aus dem Hotel, biege rechts ab und nehme die Schotterstraße, die parallel zum Fluß ins nächste Dorf führt. Auf der Karte ist sie gelb eingezeichnet. Der Berg in der Ferne trägt Wolkenmütze.
Gestern Abend hatten wir das erste höchst unleckere Essen, was ich schon ziemlich doof fand, denn am Nachmittag bei unserer Stärkungssuppe – die echt ok war – hat der Wirt ja so einen vom Pferd erzählt, wo er schon überall gekocht hat. Dreiundvierzig Jahre überall, im Hilton in Moskau vier Jahre, aber es war ihm zu hektisch, da hat er investiert, diesen Laden aufgemacht, und jetzt ist er hier. Es hat überhaupt nicht geschmeckt.
Danach waren wir noch Flanieren, das macht man in Albanien am Abend. Es heißt Xhiro, und alle spazieren auf der Hauptstraße auf und ab. In Përmet wurde dafür vor dem Kulturpalast extra neu gepflastert, das heißt, noch ist es nicht fertig, deshalb muss das Zentrum mit dem Auto gegen einige Einbahnstraßen umfahren werden. Ortsfremde tun sich damit ein wenig schwer, es hilft dann den Einheimischen zu folgen. Es sind nur wenige hundert Meter, auf denen flaniert wird, am Ende kehrt man um und geht zurück. Das gibt es überall, und es ist sehr schön, ganz besonders, wenn es sonst nicht viel zu tun gibt. Auch für Auswärtige ist schön, den Einheimischen beim Flanieren zuzuschauen.
Meine Laufstrecke ist gut gewählt, denn das nächste Dorf ist einige Kilometer entfernt, das heißt, es gibt keinen Grund für Hunde ausgerechnet dort herumzustreunen. Ein Fußpfad (wobei: wer weiß, wie sie den klassifizieren?) führt zu einer Hängebrücke, dahin mache ich einen kurzen Abstecher – ich sammle gerade albanische Brücken.
Zurück auf der Schotterstraße kommt ein Mann auf einem Esel entgegen. Dann ein Mercedes. Hier gibt es vermutlich die höchste Pro-Kopf-Mercedes-Dichte der Welt, viele alte noch vorelektronische Modelle, aber auch einige neue. Gelb ist eine besonders beliebte Farbe. Ein weiterer Mercedes steht einfach so herum, niemand ist zu sehen. Als der Weg von der Vjosa weg Richtung Hang abbiegt, kehre ich um – Zeit für ein Frühstück. Jetzt ist auf der Straße mehr los, ich werde von drei Autos überholt, zwei Mercedessen und einem kleinen Laster. Ich mache jedes Mal Platz und grüße. In dem einen Mercedes sitzen mindestens sechs Leute, vier Große und ein paar Kinder die kriegen sich vor Lachen gar nicht mehr ein. Vor allem die Oma auf dem Beifahrersitz winkt enthusiastisch.
Zurück im Ort drehe ich noch eine kleine Runde um den zentralen Park, eigentlich nur, um noch einmal an diesem Phänomen albanischer Baukunst vorbei zu kommen:
Die haben sich offensichtlich nicht so ganz einigen können, wo das Baugrundstück endet und wo die Straße anfängt.