Drehwurm im Park

Prolog

Dienstreise mal wieder. Klar, man kann im Prinzip überall laufen, aber der Kollege, der vor drei Wochen hier war, fand, dass es, wenn überhaupt, dann nur auf dem Laufband im Fitnessraum des Hotels ginge, weil in der Stadt die Luft viel zu dreckig sei, die Temperaturen zu hoch, der Verkehr und die wilden Hunde zu gefährlich. Das passt mir als bekennender sich-auf-dem-Laufband-tot-Langweilerin natürlich überhaupt nicht.

Die eigentliche Geschichte

Hinter dem Hotel gibt es einen sehr kleinen Park. Aus dem Hotelfenster sehe ich die Sonne aus dem Smog aufgehen und mache mich auf den Weg – ganz sittsam in langer Schlabberhose und immerhin Funktions-Schlabber-T-Shirt bei ca. 26°C. Ich drehe also eine erste gemütliche Runde – gerade mal 360 Meter – und bin total überrascht: das ist ja wunderbar hier! Der Park ist klein und ziemlich staubig, ein paar Drahtfiguren, die kleinen Büschen übergestülpt würden, lassen hoffen, dass diese Büsche vielleicht einmal Pfau- oder Gazellenform annehmen sollen, wenn sie groß sind. Mir kommt das ziemlich optimistisch vor. Einige Bäume blühen, es gibt riesige rote Blüten, solche, die wie rotgrüne Flaschenbürsten aussehen und ganz feine violette. Irgendwelche davon riechen richtig gut. Der Rundweg ist von einer hüfthohen Hecke gesäumt, das ist mir sehr Recht, denn auf dem Rasen liegen ziemlich viele von diesen herrenlosen Hunden herum, die meisten schlafen noch.

Es sind kurz nach halb sieben eine Menge Leute unterwegs, die auf dem Rundweg durch den Park walken oder spazieren. Manche Leute überrunde ich ziemlich oft, andere kommen mir entgegen. Ich bin begeistert, das ist ja eine einmalige Gelegenheit, die Leute hier ein bisschen in ihrem ganz normalen Alltag zu beobachten. Ein Mann füttert die Vögel und macht dabei Vogelgeräusche zum Anlocken – es kommen nur Krähen zum Krümelpicken, obwohl es auch ganz exotische Vogelsorten geben muss, die höre ich aber nur kreischen, sehe leider keinen davon. Außerdem gibt es niedliche kleine Streifenhörnchen, die ebenfalls an dem Futter interessiert sind. Sehr interessant, dass die großen Krähen immer weghüpfen, wenn die viel kleineren Hörnchen kommen und ihnen alles wegfressen. Vor den Hunden, die gelegentlich doch über den Rasen wandern, flüchten dann aber die Hörnchen auf die Bäume. Wenn so ein Hund auf den Weg tritt, verlangsame ich das Tempo, aber eigentlich wirken sie harmlos und wenig an den anwesenden Zweibeinern interessiert.

Ein junger Mann macht Klimmzüge an einem Baum, ein alter Mann mit langem weißem Bart sitzt im Lotussitz auf einer Bank. Ältere Damen in Saris und Laufschuhen unterhalten sich angeregt auf ihren Runden. Sie sind ziemlich schwer zu überholen – ich tapse extra ein bisschen lauter, damit sie mich kommen hören, aber sie brauchen ganz schön viel Platz. Ein Sikh mit Turban kaut im Gehen auf einem recht dicken Stöckchen, das vorne schon ganz ausgefranst ist. Ob das seine Zahnbürste ist? Irgendwann setzt er sich in Trab, aber nur eine Runde – nachdem ich ihn einmal überholt habe, ist er verschwunden.

Ein paar Jungs ziehen sich die T-Shirts aus und ehemals weiße Kampfsportkimonos an. Auf dem Rücken steht Taek-won-do. nach einer Weile kommt der Trainer in einem roten Trainingsanzug und lässt sie erstmal Dehnübungen machen. Wow, die können Spagat! Nach einer Weile sollen sie laufen. Das scheinen sie aber nicht so toll zu finden, denn sie rennen zwar los wie die Bekloppten, sobald sie aber außer Sichtweite des Trainers sind, gehen sie, und erst kurz, bevor er sie wieder sehen kann, laufen sie wieder. Lustiges Verfahren, vielleicht habe ich die Übung aber auch einfach nicht verstanden, eine Art Intervalle vielleicht? Nach nur zwei Runden dürfen sie auf den Rasen zurück und Taek-won-do-Choreographien üben.

Was ich nicht für möglich gehalten hätte: meine geplanten Kilometerchen fallen mir ganz leicht, es ist kein bisschen langweilig auf den kurzen Runden, im Gegenteil, es ist ein wunderbares Erlebnis, gewissermaßen mit den Einheimischen gemeinsam Frühsport zu treiben. Und obwohl der Herr Steffny es gar nicht vorsieht, gehe ich morgen gleich wieder hin.

Nachtrag: Proper Shoes

Ich war tatsächlich noch zweimal im kleinen Park meine kleinen Runden drehen. Am dritten Tag merkte ich schon, dass mich ein älterer Herr in so einem traditionellen weißen Gewand, mit einer bunten Weste, einem Nehru-Hütchen auf dem Kopf und einem Bambusstock in der Hand beobachtete. Nach ein paar Runden sprach er mich an, ob ich ihm, wenn ich fertig wäre, dreißig Sekunden meiner Zeit schenken könne. Ich meinte, ich brauche noch eine Dreiviertelstunde und wir könnten uns auch gleich kurz unterhalten. Daraufhin zeigte er mir die Stoppuhr auf seinem Handy, und sagte „I’ve been taking your time, you’re doing very well. But let me give you one advice…“ Ich war außerordentlich gespannt, was er zu sagen hätte „You need proper shoes for hard ground“. Ich bedankte mich für seine Anteilnahme und den guten Rat, verabschiedete mich und lief weiter. Wenn ich das meinem Laufschuhdealer erzähle…

Immer noch unterwegs: der Atalante-Trail

Meine Dienstreise endet mit einem ganz und gar freien Wochenende, der Rückflug ist erst morgen. Weil es nun im Troodos-Gebirge keine empfohlenen Laufstrecken gibt, muss es eben ein Wanderweg sein, der Atalante Nature Trail (Atalante ist nach Wikipedia eine von der Bärin groß gezogene Jägerin, u.a. die (damals, nehme ich an) schnellste Läuferin Griechenlands). Der Trail geht auf einer Höhe von an die 1800 m einmal außen um den höchsten Berg Zyperns, den Olympos (1952m) herum. Der Plan ist klar: das wird gelaufen, nicht gewandert. Die freundliche Rezeptionistin sagt mir noch, dass der Trail gleich hinter dem Haus vorbei geht, ich solle aber lieber erst um zehn los, vorher seien noch die Jäger in den Bergen. Egal denke ich mir, die werden eine schnaufende Flachlandziege in orangefarbenem Shirt schon nicht mit einem Mufflon verwechseln – oder mit hinter was immer sie her sind.

Ich ziehe also kurz nach acht mit einem halben Liter Wasser in der einen und dem Fotohandy in der anderen Hand los. Im Wald knallt es tatsächlich öfter mal, ich höre aber auch Glöckchen und frage mich, ob die Einheimischen wohl ihre Hausziegen erschießen. Nach kurzer Strecke klärt sich dieser Irrtum auf: ich treffe auf den ersten Jäger mit Hund – letzterer trägt Glöckchen am Halsband und bimmelt wie ein kleines Schaf. Vor Schreck – hey, ein großer Mann mit einem großen Gewehr! – fällt mir im ersten Moment nicht mehr ein, dass man hier ja nicht „Good Morning“, sondern „Kalimera“ sagt, aber englisch wird auch verstanden. Der Jäger pfeift auch gleich seinen Hund zu sich, so dass ich locker an beiden vorbei joggen kann. Der Weg ist einigermaßen holperig, dafür ist die Aussicht grandios: Berge, Berge, Berge und dahinter das Meer – und das in wechselnden Himmelsrichtungen – wie gesagt, es geht einmal rund herum. Zwischen den Felsen stehen struppige Kiefern, die ziemlich vom Wetter gebeutelt aussehen. Ich bleibe gelegentlich stehen und mache ein paar Bilder. Den malerischen Eingang zu einer verlassenen Chrommine fotografiere ich aber nicht, denn genau davor steht wieder so ein martialisch aussehender Jäger in Tarnfarben – immerhin bin ich jetzt auf Kalimera eingestellt.

Sehr niedlich sind die Schilder des örtlichen Fremdenverkehrsbüros: da stehen neben Pflanzen- und Steinnamen auch mal interessante Informationen wie „Aussicht“ oder „Tote Kiefer“ (an einer toten Kiefer angebracht). Die Luft ist zwar noch recht kühl, aber die Sonne knallt doch mit Kraft auf den Kopf, die Steigungen sind zwar moderat, aber das ungewohnte auf-den-Untergrund-Aufpassen lässt den Puls doch ordentlich arbeiten. Irgendwann werden die Bäume dichter, es geht durch einen Wald und plötzlich ist der Boden ganz weich von Kiefernnadeln – oh wie schön, ein Teppich! Auf den letzten drei Kilometern geht es nochmal tüchtig runter und wieder hoch, aber nach rund 13km stehe ich auch schon wieder unterhalb des Hotels. So schön: das Licht, die Bäume, die Aussicht – dass Laufen so wunderbar sein kann!

P.S.: Bilder gibt es leider keine – ich kriege sie nicht vom Telefon auf den Arbeitsrechner.

Laufen unterwegs – Limassol Strandpromenade

Dienstreise, wieder Limassol. Dieses Mal ein Hotel direkt am Strand, also beste Bedingungen für ein Vorfrühstücksläufchen. Um 1/4 nach 6 haben die Wolken, die auf dem Horizont liegen, oben einen leuchtend roten Saum, kurz danach steht die Sonne schon drüber und die Frage, ob kurzärmlig reicht, hat sich sowas von erübrigt.

Auf dem Weg am Strand entlang sind richtig viele Leute unterwegs, die meisten älter und spazierend – nee, das muss wohl „walkend“ heißen, denn sie tragen alle Sportkleidung. Sehr wenige laufen auch. Hochinteressant: nachdem ich gestern am späten Nachmittag die einzige Person weit und breit war, die im Meer schwimmen war, bin ich sehr erfreut zu sehen, dass am Morgen richtig viele ältere Leute in größeren Gruppen beim Baden sind. Ich bin ganz traurig, dass die Zeit nicht für laufen und schwimmen ausreicht.

Später im Büro die Kursteilnehmer schütteln sich, als ich begeistert davon erzähle, und sprechen etwas befremdet von „winter swimmers“. Sie finden es um diese Jahreszeit viiieeel zu kalt (das Wasser muss so 20° haben). Mir egal: morgen früh geh ich auch schwimmen – laufen kann ich auch nach Feierabend, wenn es dunkel wird. Oder übermorgen wieder…

Laufen auf Dienstreisen – Dietikon

Zugegebenermaßen war einer der Gründe, dass ich mich nicht erst morgen früh in so einen Rote-Augen-Flieger setze, sondern heute schon angereist bin, der Gedanke, dass ich meinen Sonntagslauf mal auf einer unbekannten Strecke machen könnte. Kam also kurz vor 18:00 Uhr im Hotel an, hab nur den Koffer abgestellt, Laufsachen rausgekramt und los. Es gibt da diesen wunderschönen Limmat-Uferweg auf beiden Seiten der Limmat (von der ich heute feststellte, dass sie aus dem Zürichsee raus- und nicht hineinfließt) mit hübschen Bänken zum Rasten, Informationstafeln zur Auenlandschaft und einigen Vogelbeobachtungsständen, die ich aber alle links oder rechts liegen ließ. Das Licht und die Landschaft waren wunderschön, die Sonne aber noch ziemlich heiß. Es waren viele Leute unterwegs, die meisten spazierend oder radelnd. Eigentlich war ich ziemlich überrascht, so wenige – also genau zwei – andere Läufer zu sehen. Anders als in Berlin im Park grüßen die hier aber alle freundlich.

Nach drei Brücken war ich einigermaßen erschöpft und fragte einen Spaziergänger, wie weit es noch zur nächsten Brücke sei. Als er 2-3km vermutete – genau wusste er es nicht, schien mir das in dem Moment doch ein bisschen weit. Schade eigentlich, denn als ich eben feststellte, dass ich doch nur 9,7km gelaufen bin, war ich doch ein bisschen enttäuscht. Aber egal, ich glaube, für heute war das vielleicht ja einfach doch die richtige Entfernung. Schön war’s jedenfalls – und ich bin ja noch bis Mittwoch hier.

Laufen unterwegs – zweiter Versuch

Der zweite Anlauf war viel besser: nach kurzer Zeit eine weniger befahrene Straße gefunden, dann wurde es richtig idyllisch: Zitronen und Orangen in den Bäumen, blühende Granatapfel- und Olivenbäume, Ziegen auf der Wiese und der ein oder andere hinter einem Zaun bellende Hund. Die Luft noch kühl und frisch, Wolken zwischen denen die Sonne durchscheint, wunderbar. Die Abzweigungen in Nebenwege, mit denen ich es versucht habe, waren zwar samt und sonders Sackgassen, aber egal. So war es eine völlig mühelose Dreiviertelstunde, die ich sehr genossen habe. Anschließend duschen und Frühstück, jetzt kann ein Tag im Büro ruhig kommen.