PB bergab und mit Rückenwind

Es sind ja öfter Geschichten zu lesen, von Läufen über Hügel und Berge, gegen widrige Winde, in denen der Held oder die Heldin dann noch die persönliche Bestzeit „pulverisiert“. So war es am Sonntag in Spandau nicht.

Der Lauf der Sympathie wird durch die beiden Vereine VfV Spandau 1922 e.V. und TSV Falkensee e.V. ausgerichtet. Er gilt in der hauptstädtischen Laufszene anscheinend als sehr schnell und bietet sich für viele Teilnehmer/-innen des Berliner Halbmarathon an, die zwei Wochen vorher noch ein 10km-Testrennen im Trainingsplan zu stehen haben. Das trifft auch auf den Hasen und mich zu.

Als um 11 Uhr der Startschuss fällt, laufen wir auf die vermutlich langweiligste Laufstrecke von Berlin/Brandenburg: es geht 10km nur geradeaus (bis auf ein paar kaum erwähnenswerte Kurven am Schlus) von Falkensee nach Spandau. Ich will aber nicht meckern, denn es kommt mir vor, als ginge es ständig leicht bergab. Dazu weht definitiv ein spürbarer Wind aus westlicher Richtung – genau: von hinten!

Wir laufen flott los – „es“ läuft. Nach etwa der Hälfte habe ich zum ersten Mal im Leben das Gefühl, aha, so ist das, wenn man ein Rennen zu schnell startet. Interessant. Und jetzt soll ich nochmal so weit rennen? In dem Tempo? Kann das gut gehen? Bei km 7 kommt mir das Ganze ziemlich bescheuert vor, und ich habe keine Lust mehr. Da ich aber mit dem Hasen zusammen laufe, und der gelegentlich anfeuernde Dinge wie „Los Igel, dranbleiben!“ ruft, bleibe ich dran. Allerdings finde ich, dass es keinen Spaß mehr macht. Überhaupt keinen. Bei km 9 ruft der Hase „Ab hier ist es reine Willenssache“ Ein Mann fühlt sich angesprochen und meint, bei ihm sei es das schon seit km 3. Ich sage nichts, weil ich keine Luft zum Plaudern habe. Der Hase zieht an, ich versuche die Beine ordentlich zu heben und kann tatsächlich noch etwas beschleunigen, was ich innerlich eher trotzig zur Kenntnis nehme, denn schön ist es immer noch nicht. Aber wenn ich nun schon mal hier bin, versuche ich wenigstens „alles“ zu geben – im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten. In der Spandauer Altstadt liegt Kopfsteinpflaster, und kurz vor dem Ziel gibt es einen Anstieg von ca. 15cm, der mir irgendwie steil vorkommt. So eine Schinderei. Noch eine Kurve, da ist das Ziel, Musik spielt, die Matten fiepen, ankommen, Uhr abdrücken, den Hasen umarmen.

PB mit 51:21. Nicht gerade pulverisiert, aber bergab und mit Rückenwind um 21 Sekunden unterboten. Ich frage mich, ob das überhaupt zählt, aber die Windrichtung steht in der Ergebnisliste ja nicht drin.

P.S.: Fünf Minuten später ging es mir wieder bestens, und ich hab mich über die Zeit gefreut wie Bolle.

Marathonstaffel auf dem Tempelhofer Feld

Der Hase holt mich in aller Frühe ab – von wegen senile Bettflucht, ich war am Vorabend auf einer Hochzeit eingeladen! – aber, da er ja immer noch ein wenig verstimmt ist, hoffe ich, ihn dadurch zu versöhnen, dass ich ihn nicht alleine im Hangar des ehemaligen Tempelhofer Flughafens Startnummern abholen, rumstehen und warten lasse. Ich hoffe, er weiß das zu schätzen.

Kurz nach uns trifft unsere wunderbare Organisatorin ein, die sogleich den Tisch-und-Bank-Verleih erblickt und eine Garnitur spendiert. Super! Weil noch kaum was los ist, können wir die in der zweiten Halle nach dem Start direkt an der Absperrung der Laufbahn aufstellen, ein Spitzenplatz, von dem aus wir prima jubeln können (und Schals, Mützen und Handschuhe abnehmen, die auf der zweiten Runde nicht mehr gebraucht werden, aber das wissen wir da noch nicht).

Von der Bühne ist undeutlich eine Durchsage zu hören, dass der Start verschoben werde – wir witzeln rum, dass es wohl am Nebel liegen muss, bei dem auf einem Flughafen eben nicht gestartet wird. Die Zuversicht, dass Kollege A. dann wenigstens seinen Einsatz nicht verpassen wird, wird sich leider zerschlagen, denn nicht die Staffel wurde verschoben, sondern irgendein anderer Lauf (Kinder? Schüler?). So kommt es, dass wir später die Teams spontan etwas neu mischen müssen. Ein kurzfristiger Ausfall macht es außerdem notwendig, einen darauf gar nicht eingestellten Kollegen aus dem Bett zu klingeln – toll, dass er sich so spontan auf den Weg macht.

Als erstes macht sich der Hase mit zwei Kollegen auf zum Start. Wir können von unserem Platz aus erkennen, wie in der anderen Halle die Hände aller Läufer in die Luft gehen. Der Startschuss fällt und sie laufen auf uns zu. Wow, sind die ersten schnell! Unsere drei Läufer brauchen ca. 2 Minuten, bis sie unseren Stützpunkt passieren – leider so fix, dass es mir nicht gelingt, den ersten zu fotografieren. Auch die anderen beiden Bilder werden keinen Preis für gelungene Sportfotografie bekommen, aber egal, verwackelt sieht vielleicht dynamisch aus. Die ersten laufen 12,195km in zwei Runden, so dass sie nach einer halben Stunde zum zweiten Mal vorbei kommen. Wir jubeln – und versuchen wieder zu fotografieren – dann machen wir Zweiten uns so langsam bereit für die 10km.

Mir gefällt die Wechselzone: da gibt es eine große Leinwand, die die Läufer 50m vorher zeigt, wir sehen sie also bereits, bevor sie ums Eck biegen. Am linken Rand laufen die Startnummern mit. Ein Erstläufer sucht verzweifelt seine Ablösung, also sowas, wie kann man ihn nur so warten lassen? Da kommt auch schon der Hase, klatscht mich ab und brüllt „Zeig’s ihnen, Igel!“ Das will ich tun und laufe los. Erstmal darf ich den Supportern an der Bankgarnitur zuwinken. Aus der Halle geht es hinaus, unter dem großen Vordach des Flughafens entlang, dann nach Osten, dann auf der nördlichen Startbahn zurück Richtung Gebäude. Der Flughafen ist ein Heimspiel, so gern bin ich hier im Sommer gelaufen!

Was mir auch sehr gut gefällt: sonst sortiere ich mich im Startblock immer nach bestem Wissen und Gewissen so ein, dass ich zwischen einigermaßen ähnlich schnellen bzw. eher langsamen Menschen laufe. Das ist hier anders: immer wieder werden wir von ganz schnellen Läuferinnen und Läufern der Spitzenteams überholt, die nur so vorbei fliegen. Das ist wirklich toll anzusehen und sehr unterhaltsam. Ich erinnere mich, dass ich letztes Jahr die Startbahn elend lang fand. Heute ist das ganz anders, irgendwie vertraut, denn ich weiß genau wie lang sie sich laufenderweise anfühlt. Vermutlich trägt aber auch der Ostwind dazu bei, dass mal wieder „am-Ende-flieg-ich-einfach-los“-Euphorie aufkommt.

Da ist auch schon die erste Runde vorbei, mir wird zugejubelt („Volle Kischde!“), ich werfe die Handschuhe der Kollegin über die Absperrung zu und bin auch schon wieder aus der Halle draußen. Von unseren drei Teams laufe ich in der Mitte. Ich rechne jeden Moment damit, von hinten überholt zu werden, hoffe aber gleichzeitig, den einzuholen, der da zwei Minuten vor mir starten konnte. Bei km 8 habe ich ihn. Ich fordere ihn auf, jetzt dran zu bleiben, aber das möchte er lieber nicht. Na gut, ich laufe jetzt einfach, so schnell ich kann weiter. Wunderbar, ich werde nicht eingeholt! Kurz vor den Teamzelten steht der Hase und brüllt mir zu, wer meine Ablösung sein wird – der, der eigentlich dran wäre, steckt noch in der U-Bahn fest. Aber wir sind ja flexibel. Nr. 3 ist nicht zu übersehen, mit beiden Armen winkend, steht er gleich vorne. Ich schicke ihn auf den Weg, umarme noch die Kollegin, die ebenfalls als dritte starten wird, und wünsche ihr viel Glück. Geschafft!

Am Tee- und Wasserstand treffe ich einige der anderen. So langsam kenne ich ja schon den Zustand, einen Lauf glücklich beendet zu haben, das Lachen und Erzählen, das Erlebte austauschen, wer wo den Wind gespürt/einen Hasen gefunden/Mühe mit der Wade gehabt/sich über die aus dem Nebel hervorbrechende Sonne gefreut/doch ziemlich geschwitzt… hat. Toll! Wer nie so einen Lauf mitgemacht hat, kann sich sicher gar nicht vorstellen, wie viel man sich da anschließend zu erzählen hat (und wenn, fände so jemand das bestimmt entsetzlich langweilig).

Ein bisschen was – ach was, gar nicht so wenig! – von der Euphorie war auch heute noch zu spüren, und ich freu mich schon aufs nächste Laufevent mit den Kolleginnen und Kollegen.

1x laufen, 2x finishen oder: Volle Kischte

Als im September der 1. Berlin Diplomatic Ladies Run verschoben wurde, war ich sehr besorgt, ob er überhaupt noch stattfinden würde – ausgeschrieben wurde er von Ihrer Exzellenz der Botschafterin von Mali, anlässlich der 50-jährigen Unabhängigkeit, und zwei der sieben Euro Startgebühr sollten den Aufbau des malischen Frauenfußballteams fördern. Dann kam vor kurzem die Mail, dass der Lauf mit dem Asics Grand 10 zusammen gelegt würde, bei dem ich aber auch schon angemeldet war. Wer wolle, könne die Startgebühr zurück haben. Wollte ich nicht, ich will schließlich den malischen Frauenfußball voran bringen. Die zweite Mail, eine Woche später ließ mich aufatmen: wer will und zweimal angemeldet ist, darf bei beiden Läufen mitmachen, allerdings werden die Ladies gebeten, das Veranstaltungsshirt und die Startnummer vom Ladies Run und den Zeitmesschip vom Asics Grand 10 zu tragen. Na super, das nenne ich effizientes Wettkampfmanagement! Das Shirt ist auch prima und hat außer einer 50 die Umrisse von Mali drauf.

Die Kollegen laufen bei Asics mit. U., der die Bemühungen um meinen 55-Minuten-Steffny-Plan zum Teil live miterlebt hat, kündigt an, mich auf 53 Minuten zu ziehen. Toll, ich freu mich riesig und hibbele schon im Auto rum, als wär’s der erste Wettkampf. Wir treffen die Kollegen, geben die Kleiderbeutel ab und laufen uns im Schlosspark Charlottenburg warm – ist auch dringend nötig, es hat erst knapp 7 Grad. Auf der Bühne darf Dieter Baumann sprechen, der leider nicht mitlaufen kann, weil er Adduktorenzerrung hat. Er lobt aber die tollen Bedingungen (im Gegensatz zu den verregneten letzten beiden Malen mit all dem glitschigen Kopfsteinpflaster) und spornt uns an „volle Kischte“ zu laufen. Ich bin ganz gerührt über den „heavy schwäbisch Accent“ meines Landsmanns und wild entschlossen, genau das zu tun. Dieses Jahr darf ich mit den Jungs in Startblock 3 stehen. Herr Baumann, Ihre Exzellenz und noch jemand, den ich gerade leider vergessen habe, dürfen den Startschuss geben.

Es ist allerschönstes Herbstwetter, und es läuft einfach. U. lässt auf seinem Garmin den virtuellen Partner rennen, ich soll gar nicht auf die Uhr schauen – tu ich aber trotzdem gelegentlich. Mein Hase erklärt mir, ich könne ja selbst bei Intervallen noch viel zu viel quatschen (stimmt gar nicht!) und heute sollte ich mal schnaufen. Ich sage ok, aber doch nicht schon auf der ersten Hälfte. Kurz vor dem Hintereingang zum Zoo (Halbzeit: 26:39) finde ich, wir seien vielleicht ein bisschen schnell. Der Hase findet, solange ich immer noch so viel rede, könne das gar nicht sein und verlangsamt kein Stück. Durch den Zoo zu laufen ist toll, dieses Jahr sehe ich sogar Tiere: eine Art Ziegenböcke oder Antilopen oder so was, Nashörner, schwarze Panther (sind auch auf den Ladies‘ Shirts drauf) und einen schlafenden Panda. Der ist nun wirklich kein Laufsymbol. Durchs Elefantentor geht es wieder raus auf die Straße. Ich wage leise Zweifel, ob wir nicht doch zu schnell sein könnten, da meint der Hase, der Igel solle jetzt mal die Klappe halten und ihn seinen Job machen lassen. Er droht sogar meine Uhr auszuschalten, wenn ich da immer drauf gucke (NEEIIIN, ich will hinterher wenigstens das Satellitenbildchen sehen!). Ich muss aber so lachen, dass mir schon davon fast die Puste wegbleibt.

Am Wasserstand bei KM 6 (den wir einfach ignorieren) verkündet ein Lautsprecher, wer gerade ins Ziel einläuft – mit derzeit 36 Minuten irgendwas. Mein Hase findet es unfein, uns das an dieser Stelle so reinzudrücken. Zu der Zeit bringe ich schon nicht mehr so richtig vollständige Sätze hervor. Wir werden aber nicht langsamer. U. meint, je schneller wir sind, desto schneller sei die Quälerei vorbei, aber auch wenn ich jetzt wirklich schwer schnaufe, wie verlangt, macht es immer noch Spaß. Ich stoße noch ein „Volle Kischte“ hervor und renne einfach, was die Beine hergeben. Im Ziel vergesse ich, wie immer die Uhr anzuhalten – dafür werde ich angehalten: von einer schwarzen Frau, die mich auf ein Gruppenbild der bisher eingelaufenen Ladies zieht. Da ist auch Ihre Exzellenz und bedankt sich bei mir fürs Laufen, ich bin völlig gerührt und euphorisch und durcheinander und bedanke mich bei allen zurück. Es sind recht wenige Ladies da, dafür werden umso mehr Fotos gemacht.

Danach gibt es zuerst die Asics Medaille, dann noch eine schöne bunte vom Ladies Run und eine Urkunde auf Französisch. Irgendwann finde ich den Hasen und die anderen Kollegen wieder. N. schaffte es unter 45 Minuten zu bleiben, S. wurde von einem Feuerwehrlöschzug aufgehalten, der die Strecke querte, war aber erwartungsgemäß immer noch schneller als wir. Unsere Zeit habe ich erst später aus dem Internet genau erfahren: 51:42! Wahnsinn – jaha, ich weiß: alles ist relativ! Alleine hätte ich das auf keinen Fall geschafft. Danke dem Hasen, danke den Ladies und Mali, danke dem schönen Wetter, und wenn ich gerade dabei bin: Danke auch euch hier. Echt mal.

Und hier die Erinnerungsstücke:
Das Shirt

Lob dem Hasen

Noch ein kleiner Nachtrag zum b2run in Berlin am Mittwoch. Für mich am beeindruckendsten waren nicht Flutlicht und die hier schon vielfach besungene tolle blaue Tartanbahn (oh ja, es ist toll durch den Marathontunnel ins Olympiastadion einzulaufen!), sondern die Sache mit dem Hasen.

Der Kollege, der sonst sehr schnell unterwegs ist, ist noch etwas vom derzeit weit verbreiteten Virus mitgenommen. Er tritt mit Wollschal und der Absicht an, ein ganz entspanntes Läufchen, „zur Not auf dem linken Bein“ runterzureißen. Ich stehe eher zufällig beim Start in seiner Nähe und wir laufen erstmal gemeinsam los. Er läuft tatsächlich sehr entspannt – und meine Güte, das sieht richtig gut aus. Er hebt vorne die Knie und hinten die Fersen auf perfekte Höhe an, von dem Mann könnte man ein Lauflehrvideo drehen. Ich beschließe für mich, so lange an ihm dran zu bleiben, wie ich es schaffe. Die Strecke ums Olympiastadion ist eigentlich ein bisschen langweilig, aber alle freuen sich auf den Einlauf ins Stadion, da macht das nichts. Es läuft – so schnell hätte ich es sonst wohl nicht angehen lassen, aber meine Beine finden das Tempo absolut akzeptabel und auch die Puste reicht. Oh ja, ich spüre, dass das flotter ist als gewohnt, aber es läuft einfach. Es sind nur 6,2km, aber für mich sind 32:26 und damit ein Pace-Schnitt von 5:13 schneller als je zuvor. Alleine hätte ich das wohl gar nicht erst versucht, daher: allerbesten Dank an den Spitzenhasen (der vermutlich noch nie so langsam war).

Knapp ein Jahr nach dem ersten Wettkampf

Vor knapp einem Jahr bin ich zum allerersten Mal „öffentlich“ gelaufen – bei der 5 x 5km Teamstaffel im Tiergarten.

Heute war sozusagen einjähriges Wettkampfjubiläum. Wir waren wieder mit drei Staffeln am Start, hatten Picknick und Getränke dabei, das Wetter war prima, nicht so schwül wie gestern, dennoch sonnig und trocken. A. hatte wieder einmal alles vollkommen im Griff, führte Listen über geplante und tatsächlich gelaufene Zeiten, schickte die nächsten Läufer/-innen in die Wechselzone, bzw. hielt sie ein bisschen zurück, wenn sie sich schon zu früh ins Gedränge stürzen wollten. Der Plan, dass alle Teams gleich schnell laufen sollten, ging nicht ganz auf, weil sich einige doch nicht ganz passend eingeschätzt hatten, aber das macht irgendwie ja auch nichts. Es hat wieder großen Spaß gemacht, mit den Kollegen zusammen zu laufen, und ich freue mich, dass die Teamstaffel bei uns so ein Traditionsevent ist.

Das bemerkenswerteste heute war, dass ich mich mehrfach dabei beobachtete, wirklich verwundert darüber zu sein, dass es tatsächlich erst ein Jahr her ist, seit ich meine ersten 5km auf Zeit gelaufen bin.