Am Dienstag gab es die letzten Intervalle – sauanstrengend, aber geschafft – wobei ich mir immer noch nicht vorstellen kann, dieses Tempo auf über 20km zu halten. Das kann doch gar nicht sein. Andererseits: darum heißt das doch Zielzeit, weil man theoretisch mit einem Plan ein bestimmtes Ziel erreichen können könnte. Aber nee, Zuversicht sieht anders aus.
Außerdem kann ich mir nicht so richtig vorstellen, dass es wirklich Spaß macht, über die Flughafenbaustelle zu rennen. Der weltbeste Hase hat es irgendwie mit Fliegern und Flughäfen, der hat mich auf der HM-Messe Anfang April ein bisschen überredet. Das war zwar ganz leicht, aber kurz vorher scheint mir die Strecke gar nicht mehr attraktiv. Soll mir aber andererseits egal sein, Ziel ist die Bestzeit zu unterbieten, da ist die Gegend doch zweitrangig. Das setzt mich aber albernerweise auch gehörig unter Druck: ich habe geradezu streberhaft trainiert, leide an keinerlei Zipperlein, es ist nicht heiß, es dürfte eigentlich nichts schief gehen… Waaaaah!!!
Der Hase setzt gnädigerweise die Zielzeit auf 1:55 fest. Ich stelle Garmine so ein, dass ich nur Zeit und Distanz ablesen kann, keine Pace, um bestenfalls unterwegs ein bisschen Kopfrechnen zu üben, die Pacekontrolle aber voll und ganz an den Hasen abzugeben. Das Einlaufen fällt eher schwer – was sollen die Beine gleich nochmal tun?
Im Startblock stehen wir in der Nähe des 1:55 Zugläufers, der Hase sinniert noch darüber, wo wir den, wenn alles gut geht, überholen werden (später war’s dann schon ungefähr bei KM 4), der Startschuss fällt, es geht los – und es geht leicht. Wow, dabei laufen wir erstmal fast drei Kilometer gegen den Wind (5bft, „frischer Wind“). Die Weite ist toll, da vorne laufen die ersten, sie haben schon die Kurve gekriegt und kommen auf der südlichen Landebahn wieder entgegen. Als auch wir dort ankommen, verleiht der Rückenwind beinahe Flügel. Super, wie leicht es läuft! Der Hase behauptet, das sei doch alles ganz entspannt. Meistens behauptet er genau das auf dem letzten Intervall, wenn ich nur noch keuche und nicht mehr widersprechen kann, aber im Moment stimmt es einfach. Es macht Spaß. Es macht sogar riesig großen Spaß! Die 10km-Läufer/-innen biegen ab, wir lassen uns weiter vom Wind schieben. Ich habe zwar wieder genug Luft zum Reden, halte mich aber halbwegs zurück.
Ziemlich genau an der 10km-Marke überschreite ich den 1000. Jahreskilometer, denke aber gar nicht dran. Viel interessanter ist die Zwischenzeit – weniger als eine Minute langsamer als die PB auf 10km. Cool. Leider ist damit die gemütliche Strecke vorbei und der Wind kommt mal von schräg vorne, mal genau von vorne oder schräg von der anderen Seite. Hui, das ist fies. Gelegentlich fürchte ich, gleich wie Tumbleweed über die Steppe geweht zu werden. Der Hase bietet mir seinen Windschatten an, das ist prima, aber ich muss mich erstmal reinfinden, denn seine Beine sind etwa anderthalb mal so lang wie meine. Nach einer Weile meint er, ich solle ihm nicht auf die Füße gucken. Hatte ich gar nicht, sondern erst auf die berühmten Stahlwaden, dann auf den Hintern. Ich kann nichts dafür, sonst hätte ich noch Nackenverspannung bekommen. Aber wenn ihn das stört, kann ich es ja mal mit den Schulterblättern versuchen. Was das Motivieren angeht, ist der Hase heute ganz groß – noch spricht er charmant davon, wie locker ich noch laufe (haha) und spart sich die Beißappelle für später auf. Wobei ich so langsam durchaus schon am Beißen bin.
Bei km 18 geht es nochmal 1,5km mit dem Wind, das ist die Rettung, dabei kann ich mich noch ein wenig erholen, bevor es dann auf die letzte Gegenwindpassage zum Zielbogen geht. Wir überholen viel mehr, als wir überholt werden, und einige andere Läufer versuchen, am Hasen dran zu bleiben. Solange mir niemand den Windschatten streitig macht, geht das in Ordnung. Inzwischen möchte ich nur noch, dass es aufhört, aber dann sagt der Hase, dass wir es noch in 1:49 schaffen könnten. Seltsam, eben wollte ich mich noch zu Boden werfen, aber irgendwo scheint es doch noch Reserven zu geben. Ich renne, was Lunge und Beine hergeben, drücke auf der Zielmatte die Uhr ab 1:49:06 – aber selbst die Bruttozeit ist noch nicht auf 1:50 umgesprungen! Wahnsinn! Wie kann das sein? Der Hase wirbelt mich durch die Luft, wir kreischen wie die Bekloppten, das gibt es doch gar nicht! Bestzeit. Und wie.
Und jetzt die kleinen Einschränkungen: Erstens glauben wir, dass die Strecke zu kurz war. Garmine geht sonst immer etwas vor, und dieses Mal hat sie nur 20,89km gemessen, die Garmine vom Hasen noch weniger. Egal: eine Bestzeit wäre es trotzdem geworden. Zweitens stehe ich nicht in der Ergebnisliste. Aber auch das ist egal, denn wie Gerald schon schrieb: gelaufen bin ich die Zeit, das kann mir keiner nehmen.
P.S.: Völlig unkompliziert schrieb mir heute eine freundliche Frau Kreißel von Berlin-läuft: „Das Problem mit ihrer verdrehten Chipnummer konnte behoben werden und sie finden sich jetzt in den Ergebnissen mit Zeit und Urkunde.“ Und als ich mich daraufhin bedankte, schrieb sie gleich nochmal: „Das habe ich sehr gern gemacht. Gratulation zur super Zeit.“ Toll, dass es bei Berlin-läuft so nette Leute gibt. Deshalb hier nochmal öffentlich: Vielen Dank fürs unbürokratische Ausbügeln meiner Schusseligkeit!