Betriebssport

Betriebssport

Es gibt etwas Neues in der Firma. Um dauersitzbedingte Schäden an der Belegschaft abzuwenden, hat unser Chef zwei Geräte angeschafft, mit denen ausgesprochen effektives *und* effizientes, dabei gelenkschonendes Krafttraining möglich sein soll. Der Name ist etwas abschreckend – Body Transformer – denn meinen Körper in irgendwas zu transformieren liegt mir doch einigermaßen fern. Andererseits: da ich die Rumpfstabilisation ja so sträflich vernachlässige, beschließe ich, die Gelegenheit zu nutzen, und trage mich als Probandin ein.

Ich bin nicht ganz sicher, ob es sich um Sport handelt, es hat was mit Elektrostimulation zu tun. Man kann sich nicht einfach selber ans Gerät stellen, sondern muss von der Personal Trainerin verkabelt und angeleitet werden – sie und ihr männlicher Kollege wurden extra für zwei Tage die Woche angeheuert.

Am vereinbarten Termin trete ich pünktlich im engen Trikot und Leggins im Kraftraum an. Die Trainerin besprüht mich an verschiedenen Stellen mit warmem Wasser, damit der Strom auch gut leitet, und hilft mir dann in eine Art kurze Neoprenbuxe und -weste, aus denen ein paar Kabel hängen. Auch um die Oberarme kommen noch zwei Manschettten, die mit dem Anzug verbunden werden. Dann schließt sie mich an die Maschine an und erklärt, was ich zu tun habe: auf die Anzeige achten. Sternchen bedeuten Pause, keine Sternchen Strom- und Anspannung. Die Sternchen werden im Sekundentakt weniger, bei einem verbliebenen Sternchen muss ich den ganzen Körper anspannen, die Spannung vier Sekunden halten, dabei ausatmen, dann entspannen. Aha, klingt ja nicht so schwer.

Es gibt eine Grundstellung, dann macht sie mir verschiedene Bewegungen vor, die ich immer in die Spannung hinein machen soll. Dabei dreht sie an den Reglern, die den Strom mal stärker, mal schwächer an verschiedene Stellen leiten. Einmal vergesse ich rechtzeitig anzuspannen und kriege eine gebratzelt. Nicht wirklich, aber es ist unangenehm, so plötzlich von der Maschine geschubst zu werden. Als die Arme dran sind, schaffe ich es zuerst nicht, sie gegen die Spannung nach hinten anzuheben – die Trainerin nimmt etwas Strom weg, da geht es. Ja, ich habe dünne Arme.

Nachdem ich anfangs wegen des schnell abgekühlten Wassers schon ein wenig gefroren habe, wird mir doch schnell warm. Die zwanzig Minuten vergehen schnell und ich habe das Gefühl, mich angestrengt zu haben.

Ob das nun Sport ist, weiß ich immer noch nicht. Krafttraining ist es vermutlich, denn am Tag danach habe ich leichten Muskelkater an einigen sonst eher unbeachteten Stellen. Ich könnte nicht behaupten, dass es wirklich Spaß macht, und eigentlich bin ich ja für den unmittelbaren Lustgewinn bei sportlicher Betätigung. Auch den Ansatz „Ich will was für mich tun, aber es muss schnell gehen“ finde ich sonst eher abwegig. Andererseits: wenn ich die Kräftigung tatsächlich in zwanzig Minuten in der Woche haben kann, bleibt mir mehr Zeit zum Laufen. Ich weiß auch nicht. Für mich ist es ein Experiment, das ich in nächster Zeit in heroischem Selbstversuch an mir durchführen werde. Mal sehen, wie es sich in ein paar Wochen anfühlen wird.

1x laufen, 2x finishen oder: Volle Kischte

Als im September der 1. Berlin Diplomatic Ladies Run verschoben wurde, war ich sehr besorgt, ob er überhaupt noch stattfinden würde – ausgeschrieben wurde er von Ihrer Exzellenz der Botschafterin von Mali, anlässlich der 50-jährigen Unabhängigkeit, und zwei der sieben Euro Startgebühr sollten den Aufbau des malischen Frauenfußballteams fördern. Dann kam vor kurzem die Mail, dass der Lauf mit dem Asics Grand 10 zusammen gelegt würde, bei dem ich aber auch schon angemeldet war. Wer wolle, könne die Startgebühr zurück haben. Wollte ich nicht, ich will schließlich den malischen Frauenfußball voran bringen. Die zweite Mail, eine Woche später ließ mich aufatmen: wer will und zweimal angemeldet ist, darf bei beiden Läufen mitmachen, allerdings werden die Ladies gebeten, das Veranstaltungsshirt und die Startnummer vom Ladies Run und den Zeitmesschip vom Asics Grand 10 zu tragen. Na super, das nenne ich effizientes Wettkampfmanagement! Das Shirt ist auch prima und hat außer einer 50 die Umrisse von Mali drauf.

Die Kollegen laufen bei Asics mit. U., der die Bemühungen um meinen 55-Minuten-Steffny-Plan zum Teil live miterlebt hat, kündigt an, mich auf 53 Minuten zu ziehen. Toll, ich freu mich riesig und hibbele schon im Auto rum, als wär’s der erste Wettkampf. Wir treffen die Kollegen, geben die Kleiderbeutel ab und laufen uns im Schlosspark Charlottenburg warm – ist auch dringend nötig, es hat erst knapp 7 Grad. Auf der Bühne darf Dieter Baumann sprechen, der leider nicht mitlaufen kann, weil er Adduktorenzerrung hat. Er lobt aber die tollen Bedingungen (im Gegensatz zu den verregneten letzten beiden Malen mit all dem glitschigen Kopfsteinpflaster) und spornt uns an „volle Kischte“ zu laufen. Ich bin ganz gerührt über den „heavy schwäbisch Accent“ meines Landsmanns und wild entschlossen, genau das zu tun. Dieses Jahr darf ich mit den Jungs in Startblock 3 stehen. Herr Baumann, Ihre Exzellenz und noch jemand, den ich gerade leider vergessen habe, dürfen den Startschuss geben.

Es ist allerschönstes Herbstwetter, und es läuft einfach. U. lässt auf seinem Garmin den virtuellen Partner rennen, ich soll gar nicht auf die Uhr schauen – tu ich aber trotzdem gelegentlich. Mein Hase erklärt mir, ich könne ja selbst bei Intervallen noch viel zu viel quatschen (stimmt gar nicht!) und heute sollte ich mal schnaufen. Ich sage ok, aber doch nicht schon auf der ersten Hälfte. Kurz vor dem Hintereingang zum Zoo (Halbzeit: 26:39) finde ich, wir seien vielleicht ein bisschen schnell. Der Hase findet, solange ich immer noch so viel rede, könne das gar nicht sein und verlangsamt kein Stück. Durch den Zoo zu laufen ist toll, dieses Jahr sehe ich sogar Tiere: eine Art Ziegenböcke oder Antilopen oder so was, Nashörner, schwarze Panther (sind auch auf den Ladies‘ Shirts drauf) und einen schlafenden Panda. Der ist nun wirklich kein Laufsymbol. Durchs Elefantentor geht es wieder raus auf die Straße. Ich wage leise Zweifel, ob wir nicht doch zu schnell sein könnten, da meint der Hase, der Igel solle jetzt mal die Klappe halten und ihn seinen Job machen lassen. Er droht sogar meine Uhr auszuschalten, wenn ich da immer drauf gucke (NEEIIIN, ich will hinterher wenigstens das Satellitenbildchen sehen!). Ich muss aber so lachen, dass mir schon davon fast die Puste wegbleibt.

Am Wasserstand bei KM 6 (den wir einfach ignorieren) verkündet ein Lautsprecher, wer gerade ins Ziel einläuft – mit derzeit 36 Minuten irgendwas. Mein Hase findet es unfein, uns das an dieser Stelle so reinzudrücken. Zu der Zeit bringe ich schon nicht mehr so richtig vollständige Sätze hervor. Wir werden aber nicht langsamer. U. meint, je schneller wir sind, desto schneller sei die Quälerei vorbei, aber auch wenn ich jetzt wirklich schwer schnaufe, wie verlangt, macht es immer noch Spaß. Ich stoße noch ein „Volle Kischte“ hervor und renne einfach, was die Beine hergeben. Im Ziel vergesse ich, wie immer die Uhr anzuhalten – dafür werde ich angehalten: von einer schwarzen Frau, die mich auf ein Gruppenbild der bisher eingelaufenen Ladies zieht. Da ist auch Ihre Exzellenz und bedankt sich bei mir fürs Laufen, ich bin völlig gerührt und euphorisch und durcheinander und bedanke mich bei allen zurück. Es sind recht wenige Ladies da, dafür werden umso mehr Fotos gemacht.

Danach gibt es zuerst die Asics Medaille, dann noch eine schöne bunte vom Ladies Run und eine Urkunde auf Französisch. Irgendwann finde ich den Hasen und die anderen Kollegen wieder. N. schaffte es unter 45 Minuten zu bleiben, S. wurde von einem Feuerwehrlöschzug aufgehalten, der die Strecke querte, war aber erwartungsgemäß immer noch schneller als wir. Unsere Zeit habe ich erst später aus dem Internet genau erfahren: 51:42! Wahnsinn – jaha, ich weiß: alles ist relativ! Alleine hätte ich das auf keinen Fall geschafft. Danke dem Hasen, danke den Ladies und Mali, danke dem schönen Wetter, und wenn ich gerade dabei bin: Danke auch euch hier. Echt mal.

Und hier die Erinnerungsstücke:
Das Shirt

Ich habe sie auch gesehen…

Sie ist wunderschön. Blau ist sie, sie besteht aus drei parallel verlaufenden, aber nicht ganz genau gleich langen Einzellinien, die sanft ausfransen, eine Lücke lassen, die etwas länger ist als die Linien selbst, um dann ebenfalls nicht ganz genau gleichzeitig wieder zum nächsten Abschnitt anzusetzen. Sie zieht sich kreuz und quer durch die Innenstadt. Mit dem Rad bin ich ihr zufällig heute mehrmals ein Stück weit gefolgt, habe sie gekreuzt und mich jedes Mal gefreut ihr zu begegnen. Es ist die blaue Linie für den Marathon, von der alle, die die Marathonberichterstattung in der Lokalpresse lesen, wissen, dass sie von einer Maschine mit dem schönen Namen „Eisenschwein“ gemalt wird.

Die blaue Linie

Ich kenne sie schon seit vielen Jahren. Schon zu Zeiten, als ich noch glaubte, ich könne gar nicht laufen, hat sie mich immer ein bisschen sehnsüchtig gemacht. Ich laufe am Sonntag gar nicht mit, aber irgendwie kam es mir heute vor, als hätten wir noch eine Verabredung, die schöne blaue Linie und ich. Nicht am Sonntag, vielleicht auch nicht nächstes Jahr, aber vielleicht irgendwann?

Lob dem Hasen

Noch ein kleiner Nachtrag zum b2run in Berlin am Mittwoch. Für mich am beeindruckendsten waren nicht Flutlicht und die hier schon vielfach besungene tolle blaue Tartanbahn (oh ja, es ist toll durch den Marathontunnel ins Olympiastadion einzulaufen!), sondern die Sache mit dem Hasen.

Der Kollege, der sonst sehr schnell unterwegs ist, ist noch etwas vom derzeit weit verbreiteten Virus mitgenommen. Er tritt mit Wollschal und der Absicht an, ein ganz entspanntes Läufchen, „zur Not auf dem linken Bein“ runterzureißen. Ich stehe eher zufällig beim Start in seiner Nähe und wir laufen erstmal gemeinsam los. Er läuft tatsächlich sehr entspannt – und meine Güte, das sieht richtig gut aus. Er hebt vorne die Knie und hinten die Fersen auf perfekte Höhe an, von dem Mann könnte man ein Lauflehrvideo drehen. Ich beschließe für mich, so lange an ihm dran zu bleiben, wie ich es schaffe. Die Strecke ums Olympiastadion ist eigentlich ein bisschen langweilig, aber alle freuen sich auf den Einlauf ins Stadion, da macht das nichts. Es läuft – so schnell hätte ich es sonst wohl nicht angehen lassen, aber meine Beine finden das Tempo absolut akzeptabel und auch die Puste reicht. Oh ja, ich spüre, dass das flotter ist als gewohnt, aber es läuft einfach. Es sind nur 6,2km, aber für mich sind 32:26 und damit ein Pace-Schnitt von 5:13 schneller als je zuvor. Alleine hätte ich das wohl gar nicht erst versucht, daher: allerbesten Dank an den Spitzenhasen (der vermutlich noch nie so langsam war).

Plan und Realität

Dienstreise mit Übernachtung im Hessischen. Der Trainingsplan, der mich auf kommenden Sonntag vorbereiten soll, verlangt noch mal 8 x 400 Meter in 2:07. Kein Problem, ich kann ja um sechs Uhr aufstehen und die letzen Intervalle auf der vom Hotel angepriesenen Nordic Walking Strecke laufen.

Als ich vors Hotel trete, dämmert es, der Himmel ist wunderschön, aber zwischen den Bäumen ist es stockfinster. Zuerst tappe ich ein wenig im Dunkeln – komisch, es sollte doch ausgeschildert sein? Ich entscheide mich für eine Straße, von der ich glaube, dass sie in die richtige Richtung führt. Im Wald kommt mir ein blinkendes Monster entgegen. Ich stelle mich an die Seite und lasse einen gewaltigen, rückwärts fahrenden Laster mit Blinklicht und einem Bagger auf der Ladefläche vorbei. Weiter geht’s. Bergauf. Hessen ist für eine Berlinerin ganz schön hügelig, ganz besonders für eine, die immer noch ein bisschen luftarm unterwegs ist. Aber erstmal einlaufen. Am Waldrand ist es heller, es gibt tatsächlich Schilder, und ich folge der Strecke, die über Wiesen und Felder führen soll. Als meine Einlaufkilometer vorbei sind, versuche ich zu beschleunigen. Garmine fiept mal wieder vorwurfsvoll: schneller, schneller! Ich kann nicht schneller, denn es geht jetzt auf holperigem Weg steil bergab, und ich habe Mühe, mich nicht zu überschlagen. Die Puste macht überhaupt nicht mit, ein Hustenreiz nervt. Was mache ich hier eigentlich?

Ich versuche eine Schnellbilanz: für Intervalle spricht der Plan. Dagegen spricht nicht nur, dass ich nicht genug Luft habe (als wäre das nicht Grund genug!), sondern auch die wunderschöne, aber denkbar ungeeignete Strecke, bergig, sehr holprige Wege. Außerdem: wenn ich den Plan einhalte, wird es ganz schön knapp mit der Zeit. Sollte ich nicht lieber den Lauf abkürzen, aber genießen, dann gemütlich frühstücken und dann in aller Ruhe in den Tag starten? Andererseits: es hat schon viel Spaß gemacht zu spüren, dass der Plan etwas bringt, dass ich wirklich schneller werde – vor dieser verdammten Erkältung. Egal, ich bin doch nicht Sklavin des Plans, und wenn ich kommenden Sonntag nicht unter 55 Minuten laufe, dann eben nächsten Monat oder übernächsten.

Ab da geht es mir wieder gut. Ich laufe den Rundweg ein zweites Mal, erschrecke versehentlich erst einen Spaziergänger mit Hund, der mir erzählt eigentlich ebenfalls Läufer zu sein, dann zwei Rehe. Die Kühe auf der Weide sind weniger schreckhaft. Der Sonnenaufgang ist spektakulär. Nach schlappen 7,5 km bin ich wieder am Hotel. Viel zu wenig, viel zu langsam, aber es war trotzdem ein schöner Start in den Tag.