Tag X – 1

Es regnet leicht und gleichmäßig, ich trete vor die Tür und trabe langsam los. Herr Steffny schlägt für den Tag vor dem (für mich ersten) HM 20 Minuten oder 3km lockeres Joggen bei 70% HFmax vor. Der Puls geht nach wenigen Schritten hoch auf 160 – he, was soll das? Noch langsamer Laufen geht gar nicht, sonst bewege ich mich noch rückwärts. Nach einem Kilometer fängt mein Bauch an lustige Geräusche zu machen: als würde man eine halbleere Flasche schütteln. Bei jedem Schritt: schwapp-schwapp, schwapp-schwapp. Richtig laut. Ich sehe mich um, ob doch jemand eine halbleere Flasche bei sich trägt, da ist aber niemand. Die Beine sind schwer und unbeweglich. Wie kann das sein? Soll ich absagen?

Nach 2km laufen sich die Beine ein wenig ein und zumindest die Bewegung fühlt sich wieder etwas runder an. Dann darf ich morgen vielleicht doch mitmachen? Woher der Maximalpuls von 183 kam, den ich bei der Auswertung entdecke, ist mir allerdings wirklich rätselhaft. Ich glaube, so geht Lampenfieber.

Allen, die nachher auch ins Tomasa kommen, winke ich schon mal zu. Ich freu mich darauf, euch kennen zu lernen. Bis später!

Drehwurm im Park

Prolog

Dienstreise mal wieder. Klar, man kann im Prinzip überall laufen, aber der Kollege, der vor drei Wochen hier war, fand, dass es, wenn überhaupt, dann nur auf dem Laufband im Fitnessraum des Hotels ginge, weil in der Stadt die Luft viel zu dreckig sei, die Temperaturen zu hoch, der Verkehr und die wilden Hunde zu gefährlich. Das passt mir als bekennender sich-auf-dem-Laufband-tot-Langweilerin natürlich überhaupt nicht.

Die eigentliche Geschichte

Hinter dem Hotel gibt es einen sehr kleinen Park. Aus dem Hotelfenster sehe ich die Sonne aus dem Smog aufgehen und mache mich auf den Weg – ganz sittsam in langer Schlabberhose und immerhin Funktions-Schlabber-T-Shirt bei ca. 26°C. Ich drehe also eine erste gemütliche Runde – gerade mal 360 Meter – und bin total überrascht: das ist ja wunderbar hier! Der Park ist klein und ziemlich staubig, ein paar Drahtfiguren, die kleinen Büschen übergestülpt würden, lassen hoffen, dass diese Büsche vielleicht einmal Pfau- oder Gazellenform annehmen sollen, wenn sie groß sind. Mir kommt das ziemlich optimistisch vor. Einige Bäume blühen, es gibt riesige rote Blüten, solche, die wie rotgrüne Flaschenbürsten aussehen und ganz feine violette. Irgendwelche davon riechen richtig gut. Der Rundweg ist von einer hüfthohen Hecke gesäumt, das ist mir sehr Recht, denn auf dem Rasen liegen ziemlich viele von diesen herrenlosen Hunden herum, die meisten schlafen noch.

Es sind kurz nach halb sieben eine Menge Leute unterwegs, die auf dem Rundweg durch den Park walken oder spazieren. Manche Leute überrunde ich ziemlich oft, andere kommen mir entgegen. Ich bin begeistert, das ist ja eine einmalige Gelegenheit, die Leute hier ein bisschen in ihrem ganz normalen Alltag zu beobachten. Ein Mann füttert die Vögel und macht dabei Vogelgeräusche zum Anlocken – es kommen nur Krähen zum Krümelpicken, obwohl es auch ganz exotische Vogelsorten geben muss, die höre ich aber nur kreischen, sehe leider keinen davon. Außerdem gibt es niedliche kleine Streifenhörnchen, die ebenfalls an dem Futter interessiert sind. Sehr interessant, dass die großen Krähen immer weghüpfen, wenn die viel kleineren Hörnchen kommen und ihnen alles wegfressen. Vor den Hunden, die gelegentlich doch über den Rasen wandern, flüchten dann aber die Hörnchen auf die Bäume. Wenn so ein Hund auf den Weg tritt, verlangsame ich das Tempo, aber eigentlich wirken sie harmlos und wenig an den anwesenden Zweibeinern interessiert.

Ein junger Mann macht Klimmzüge an einem Baum, ein alter Mann mit langem weißem Bart sitzt im Lotussitz auf einer Bank. Ältere Damen in Saris und Laufschuhen unterhalten sich angeregt auf ihren Runden. Sie sind ziemlich schwer zu überholen – ich tapse extra ein bisschen lauter, damit sie mich kommen hören, aber sie brauchen ganz schön viel Platz. Ein Sikh mit Turban kaut im Gehen auf einem recht dicken Stöckchen, das vorne schon ganz ausgefranst ist. Ob das seine Zahnbürste ist? Irgendwann setzt er sich in Trab, aber nur eine Runde – nachdem ich ihn einmal überholt habe, ist er verschwunden.

Ein paar Jungs ziehen sich die T-Shirts aus und ehemals weiße Kampfsportkimonos an. Auf dem Rücken steht Taek-won-do. nach einer Weile kommt der Trainer in einem roten Trainingsanzug und lässt sie erstmal Dehnübungen machen. Wow, die können Spagat! Nach einer Weile sollen sie laufen. Das scheinen sie aber nicht so toll zu finden, denn sie rennen zwar los wie die Bekloppten, sobald sie aber außer Sichtweite des Trainers sind, gehen sie, und erst kurz, bevor er sie wieder sehen kann, laufen sie wieder. Lustiges Verfahren, vielleicht habe ich die Übung aber auch einfach nicht verstanden, eine Art Intervalle vielleicht? Nach nur zwei Runden dürfen sie auf den Rasen zurück und Taek-won-do-Choreographien üben.

Was ich nicht für möglich gehalten hätte: meine geplanten Kilometerchen fallen mir ganz leicht, es ist kein bisschen langweilig auf den kurzen Runden, im Gegenteil, es ist ein wunderbares Erlebnis, gewissermaßen mit den Einheimischen gemeinsam Frühsport zu treiben. Und obwohl der Herr Steffny es gar nicht vorsieht, gehe ich morgen gleich wieder hin.

Nachtrag: Proper Shoes

Ich war tatsächlich noch zweimal im kleinen Park meine kleinen Runden drehen. Am dritten Tag merkte ich schon, dass mich ein älterer Herr in so einem traditionellen weißen Gewand, mit einer bunten Weste, einem Nehru-Hütchen auf dem Kopf und einem Bambusstock in der Hand beobachtete. Nach ein paar Runden sprach er mich an, ob ich ihm, wenn ich fertig wäre, dreißig Sekunden meiner Zeit schenken könne. Ich meinte, ich brauche noch eine Dreiviertelstunde und wir könnten uns auch gleich kurz unterhalten. Daraufhin zeigte er mir die Stoppuhr auf seinem Handy, und sagte „I’ve been taking your time, you’re doing very well. But let me give you one advice…“ Ich war außerordentlich gespannt, was er zu sagen hätte „You need proper shoes for hard ground“. Ich bedankte mich für seine Anteilnahme und den guten Rat, verabschiedete mich und lief weiter. Wenn ich das meinem Laufschuhdealer erzähle…

Grummeln am Griebnitzsee

Der lange – wegen Dienstreise auf Samstag vorverlegte – Sonntagslauf sollte tinadoro und mich in einer großen Runde um den kleinen Wannsee, Pohlesee, Stölpchensee und Griebnitzsee führen. Dabei hatten wir gar nicht mehr dran gedacht, dass der Griebnitzsee der war, der letzten Sommer mehrfach durch die Presse ging und auch hier von Mojo2008 und Devi erwähnt wurde. Wir haben uns jedenfalls sehr im Fluss unseres Laufs behindert gefühlt, als der Uferweg plötzlich durch einen Zaun abgeschnitten wurde – da fiel es uns wieder ein. Eigentlich ist alles gesagt, also hier nur noch zwei Dinge:

1. Ich gönne reichen Menschen ihre Villen und Gärten.

2. Wenn diese Menschen anderen Menschen, die weder Villen noch Gärten besitzen, den Zugang zum Wasser nicht nur missgönnen, sondern verwehren, wird dies in jeder besseren katholischen oder auch buddhistischen Hölle mit Käfighaltung in von der EU ausrangierten Hühnerkäfigen nicht unter drei Ewigkeiten bestraft. So.

Der Griebnitzsee wird nicht in unsere bevorzugten Laufgebiete aufgenommen.

Wer noch nicht weiß, was gemeint ist, hier die Website der Bürgerinitiative Griebnitzsee für alle (falls es jemandem nicht auffiel: stimmt, ich bin parteiisch, und zwar nicht erst, seit mein ganz persönlicher Lauf behindert wurde).

Fußlahmes Gnu

Gestern im Natural Running Kurs hat der Trainer diese Surfschühchen mitgebracht – auch unter dem Namen Fußtrainer bekannt und beliebt. Wir sprangen damit herum wie die jungen Hasen, und die Warnung, es nicht zu übertreiben, weil ungeübte Muskulatur sich womöglich erst am nächsten Tag bemerkbar macht, habe ich nicht so ganz ernst genommen.

Heute wurde nach Ablauf der Monatskarte die Fahrradsaison eröffnet: erst zehn, dann noch zwei mal vierzig Minuten hin und zurück quer durch die Stadt – nicht Sport, einfach nur Verkehrsmittel. Habe dennoch gespürt, dass ich es nicht mehr gewohnt bin.

Am Abend sollten es laut Plan dann noch 11km Laufen sein. Oha. Nach dreien meldeten sich die Waden und Sprunggelenke. Nach fünf Kilometern hatte ich das Gefühl, wie ein fußlahmes Gnu dahin zu wackeln, und genierte mich ein wenig vor den beiden leichtfüßig an mir vorbeiziehenden Läufern, die offensichtlich ohne Fußbeschwerden unterwegs waren. Tapfer beschloss ich, dennoch nicht abzukürzen. Nach neun Kilometern lief es wieder einigermaßen rund, das könnte am Laufmantra gelegen haben, denn in meinem Kopf sangen welche nur noch „Ba-de-wan-ne, Ba-de-wan-ne“. Die läuft gerade ein…

Auf alle Fälle hatten die Fußkräftigungsübungen eine Wirkung. Bin gespannt, wie’s weitergeht…

Granulat, Split oder wie das Zeug heißt…

… das im Kampf gegen spiegelblanke Eisflächen lastwagenweise in die Stadt gekippt wurde und jetzt zentimeterhoch die Gehwege bedeckt. Gestern fragte ich mich noch, was damit wohl passieren wird, jetzt, wo das Eis weitgehend weggeschmolzen ist, stand es auch schon in der Zeitung: es wird eingesammelt, gereinigt und zum Flicken der durch den Frost massenhaft aufgebrochenen Schlaglöcher verwendet. Schade eigentlich. So weich wie zur Zeit lief es sich mitten in der Stadt noch nie.