Schneeketten im Einsatz

Beim letzten Beutezug nach Lebensmitteln heute früh sind die am besten geräumten Abschnitte die gefährlichsten: spiegelglatt überfroren, so dass auf dem Heimweg nur geschickte Gleichgewichtsunterstützung durch je einen Sixpack Bier auf jeder Seite das Schlimmste verhindert. Eine gute Gelegenheit, noch die nagelneuen Yaktrax-Schneeketten zu testen, bevor die Gäste kommen.

Yaktrax über die Schuhe gefummelt, Schuhe erst im Treppenhaus angezogen (die guten Dielen!) und los. Zum Glück ist es in der Gegend so schlecht geräumt wie fast überall in der Stadt. Auf dem angesulzten und oben wieder überfrorenen Schneematsch: wunderbar, das läuft ja wie geschmiert. Gelegentliche Asphaltstrecken sind zum Glück kurz, aber außer, dass es ein doofes Geräusch macht und sich ein bisschen merkwürdig anfühlt: nicht schlimm. Die Runde ums Stadion Wilmersdorf zeigt, dass meine Vermutung stimmt: die schöne rote Tartanbahn liegt unter einer dicken Schneeschicht, die noch durch keine Fußstapfen verunziert ist. Hier ist schon lange niemand gelaufen. Außen herum schon, der Fußweg ist gut geräumt, aber gerade dadurch wieder höllisch glatt.

Anders im Volkspark, hier gibt es wieder dicken, festgetrampelten Schnee. Ich glaube, ich bin noch zu keiner Tageszeit durch den Park gegangen, gelaufen oder geradelt, ohne Läuferinnen und Läufern zu begegnen. Das ist auch heute so. Außer mir trägt allerdings niemand unlautere Hilfsmittel an den Füßen. Kurz fühle ich mich etwas overdressed. Na und? Laufen die nicht doch alle vielleicht einen Tick vorsichtiger als ich? Doch auf jeden Fall. Spätestens an der Fußgängerbrücke über die Bundesallee bin ich wieder begeistert, wie locker und rutschfrei ich hoch und wieder runter komme. Nicht einmal die Treppenstufen an der Prinzregentenstraße, die fast zur schiefen Ebene mutiert sind, schrecken mich und die Ketten. Um die versetzten Fahrradabbremsgeländer herum lege ich mich flach in die Kurve (nö, das stimmt nicht, hier hat es mich letzten Winter gewaffelt, an der Stelle bin ich ganz vorsichtig, aber ich rutsche tatsächlich kein bisschen).

Allerdings werden mit der Zeit die Füße doch ganz schön schwer. Ich fühle mich wie ein kleines Raupenfahrzeug, vielleicht so ein kleiner Bagger, wie sie im Straßenbau gerne eingesetzt werden: nicht gerade leichtfüßig, aber unermüdlich rolle ich über die unterschiedlichen Untergründe.

Nach knapp einer Stunde bin ich wieder zu Hause. Fazit: bei schönem Schnee, auf dem es sich von alleine gut läuft, sind die Dinger nicht nötig, aber wenn der Untergrund schwieriger wird, sind sie auf alle Fälle eine feine Sache, um ohne Laufband durch den Winter zu kommen.

So, jetzt noch die Wollmäuse wegsaugen, dann können die Gäste kommen.

Sonntagsstrecken – über Wasser laufen

Es war sicher keine besonders originelle Idee heute zum Wannsee zu fahren. Halb Berlin wollte wissen, wie es ist, „über Wasser zu laufen“. Das, was Garmin hinterher ausspuckt, sieht jedenfalls danach aus:

Wannsee

In Wirklichkeit ist es natürlich ganz anders: Während an der Dampferanlegestelle sich die Massen lustigerweise auf einem fünf Meter breiten Trampelpfad als Kolonne bewegen, ist es schon ein kleines bisschen daneben gar nicht mehr voll. Es liegt Schnee, und wie schon seit Wochen finde ich es ziemlich anstrengend, auf diesem Untergrund zu laufen. Aber es soll ja der Kraft, Koordination und was weiß ich noch allem dienen. Ich versuche, unter den vielen Fußspuren zu lesen, ob Läufer dabei waren, bin aber nicht sicher, ob ich sie erkennen würde. Das da sind meine:

Fußspur

In den meisten Wintern wird eine Fahrrinne der Havel mit Eisbrechern frei gehalten, aber dieses Jahr kann man bis nach Kladow hinüber laufen – das muss ich natürlich auch tun, zumindest einmal das unebene Eis der Fahrrinne überqueren, in der spitze Eisschollen aus der glatten Fläche ragen, wie sie eben festgefroren sind. Kurz frage ich mich, ob das sicher ist, denn hier sind sehr wenige Fußspuren. Aber es gibt welche, also wird es mich auch tragen.

Diese Boje ist sozusagen arbeitslos.

Boje

Nach dem Wenden stelle ich plötzlich fest, dass ich auf dem ganzen Hinweg Rückenwind hatte, der jetzt überraschenderweise von vorn kommt. Komisch, das war mir gar nicht aufgefallen. Ich werde noch langsamer, aber das macht ja nichts. Am Ende sind es nur rund 8 km gewesen, aber auch das macht nichts, denn das heute war wieder ein ganz besonderer Lauf.

Meditation über Rossmann P –>

Es ist kalt, es ist schlecht geräumt, ein Bekannter von tinadoro ist beim Laufen gestürzt und hat sich ein Bein gebrochen, ich bin vernünftig/vorsichtig und gehe ins Fitness Studio aufs Laufband. Ich nehme mir vor, es einfach meditativ zu sehen und mich nicht zu langweilen. Na dann, Musik auf die Ohren und los. Die Fernseher nerven total. Ich versuche drunter durch zu schauen, aber auf zwei Bildschirmen in meinem Gesichtsfeld flimmern nervige Bilder, die ich schlecht ignorieren kann – links etwas über Hygiene in verschiedenen Sorten öffentlicher Toiletten, rechts vor allem Werbung. Ich nehme die Brille ab, das hilft, ich erkenne das Geflimmer nicht mehr, es ist nur noch bunt und bewegt und lenkt viel weniger ab. Was ich noch erkenne, wenn auch unscharf, ist ein Schriftzug und ein Parkhaus-P an der hässlichen Fassade gegenüber:

Rossmann P -->

Ich starre darauf, weiß, dass in dem O eine Art Zentaur zu sehen ist, den ich aber nicht sehen kann. Ich frage mich, ob der wohl schnell ist. Schneller als ich bestimmt – warum ist es auf dem Laufband nur so viel mühsamer als draußen? Es kann doch nicht sein, dass der Garmin dauernd schummelt? Jedenfalls nicht so sehr. „Ross-mann-Peeeh, Ross-mann-Peeh…“ ich merke, wie ich im Kopf versuche den Schriftzug rhythmisch zu lesen, als wäre es eine Parole auf einer Demonstration. Aber selbst, wenn ich das Peee dehne, haut es mit dem Atmen nicht richtig hin.

Nach einer Stunde springt das Laufband plötzlich ins Cooldown-Programm – Mist, ich hatte am Anfang einfach auf Quickstart und manuelle Eingabe gedrückt. He! Meine 12km sind noch nicht fertig! Ich trickse das Cooldown-Programm aus und stelle manuell immer wieder die Geschwindigkeit hoch. Als es fertig ist, bleibt das Band trotzdem stehen. Schnell die Zahlen gemerkt, das bringt auf die letzten Kilometer wenigstens noch ein bisschen Gelegenheit zum Kopfrechnen. Und schnell wieder einschalten und weiter geht’s. Lustig: ich höre Animal Collective – Merriweather Post Pavillion. Ein Stück heißt „No more runnin“. Ich muss lachen, schön wär’s, aber ich bin noch nicht fertig. Tapfer mache ich wenigstens die 12km voll und komme mir trotzdem vor, als wäre es längst nicht genug.
Auf dem Heimweg begegnet mir eine Läuferin. Sie ahnt nicht, wie sehr ich sie in dem Moment beneide – und mich ein ganz kleines Bisschen über meine Vorsicht ärgere.

Blaue Flaschen

Das Thema des Tages ist ja wohl definitiv, wie dietzrun so schön geschrieben hat, der KraftAusdauerKoordinationsLauf. Auch ich habe mich über Gehwege in unterschiedlichsten Räumungszuständen (sehr gut zu laufen: festgewalzter Schnee mit Streusplit, schlecht zu laufen: angesalzte knöcheltiefe Pampe), durch ein größeres Kleingartengebiet (Wege durch unregelmäßiges Zertrampeln schwer zu laufen), bis zum und einmal durchs Schöneberger Südgelände (dito) und wieder zurück gekämpft. Heute war’s tatsächlich kämpfen, und ich musste gelegentlich wegen wackeliger Beine ein Gehpäuschen einlegen. Sehr willkommen war daher auch ein Fotopäuschen: In einem Schrebergarten stand dieser mit blauen Flaschen geschmückte Baum, der inmitten der Schneelandschaft heute einen besonders wirkungsvollen Auftritt hatte.

Baumblau

… und noch ein Silvesterlauf (ohne Jahresrückblick)

Auf dem Heimweg vom Kino war der Schnee nicht mehr festgetrampelt und spiegelglatt, sondern weich, dick und naja, auch ziemlich feucht. Nach dem Film (Verblendung) hätte ich wohl eh nicht schlafen können, also warum nicht jetzt gleich einen kleinen Silvesterlauf einlegen, bevor alle, die vor mir wach sind, wieder den ganzen Schnee feststampfen.

Kurz frage ich mich, ob es nach dem Film eine gute Idee ist, so alleine durch die Nacht zu rennen, aber der Schnee macht so gute Laune, dass der Gedanke gleich wieder weg ist. Beim Überqueren der Straßen ist es ein bisschen glatt, aber eigentlich ist Schnee ein toller Laufuntergrund. Ein bisschen anstrengender als sonst ist es schon, aber so vergnüglich! Erstaunlich ist, wie viele Leute hier unterwegs sein müssen, auch wenn ich kaum eine Menschenseele treffe, denn überall sind Fußspuren. Erst auf dem Radweg entlang der U-Bahn in Dahlem kann ich mich freuen, dass meine Spur wohl die erste seit Stunden ist. Nein, doch nicht, da lief ein Tier. Da ich eine miserable Spurenleserin bin, kann ich nur feststellen, dass es Pfoten und weder Hufe noch Vogelfüße hatte. So ohne Menschenspuren dabei war es wohl auch kein Hund.

Auf dem Rückweg steht ein Mann in einem Vorgarten und macht mit Blitzlicht ein Foto nach dem anderen von seinem beschneiten, mit Lichtlein und roten Kugeln geschmückten Oh-Tannenbaum. Nächstes Jahr verschickt er bestimmt die Fotos als Weihnachtskarten. In der Ferne böllern sie schon Silvester ein, aber hier ist es ruhig. Es schneit immer noch. Gute Nacht und kommt alle gut ins neue Jahr.