Wasser

Es regnet. Ich möchte laufen, trödle aber noch ein bisschen rum. Es regnet immer noch, ich ziehe schon mal die Laufsachen an. Es regnet Bindfäden. Ich starte Garmine und ziehe mir, solange sie Satelliten sucht, die Schuhe an. Es schüttet. Ich laufe los.

Auf den ersten Metern richtet sich Gänsehaut an Armen und Beinen auf. Ich erkläre mir selbst, dass es überhaupt nicht kalt ist, am Rumpf friere ich schließlich gar nicht. Irgendein Teil des Systems ist einigermaßen empört und jagt erstmal den Puls auf 197. He, was soll das, ich bin doch gar nicht schnell? Und der Regen ist nicht kalt, nur dass ihr da drin das mal wisst! Außerdem besteht der Mensch doch sowieso zu über 70% aus Wasser, d. h. das Wasser innen und außen ist nur durch die Haut voneinander getrennt. Ein nettes Bild, der Regen neckt die Wasserkusine einfach nur, er stupst mich mit unterschiedlich großen Tropfen an, und die Gänsehaut ist gar keine Abwehrreaktion, sondern die auf eine erotische Berührung. Hallo Regen, ich bin auch Wasser! Komm, streichle mich!

Nach zwei Kilometern sind die Schuhe durch. Lustige Wahrnehmung: die Nässe an den Knöcheln wandert an den Socken nach oben, weil von unten aus den Schuhen mehr Wasser aufsteigt als an den Beinen abwärts fließt. Die Schlüsselbeine habe ich beim Laufen vorher noch nie bemerkt – heute klebt das Shirt daran. Aha, da sind sie also.

Die Runde ums Eisstadion nehme ich ganz streberhaft gegen den Uhrzeigersinn – erst die Treppen abwärts und dann den Rest der Runde „berg“auf. Heute gibt es über dem Hohen Bogen keine Wolkenformationen, sondern nur graue Suppe aus der Wasser strömt. Im Park fallen von den Bäumen viel größere Tropfen als die aus den Wolken. Das Geräusch ist auch anders – schön! Am besten und lautesten klingt das Rauschen auf den Platanen. Etwas unscharf sehe ich, wie an beiden Seiten des Mützenschirms Tropfen zusammenfließen, größer werden und dann als schimmernde Perlen abfallen. Und das immer wieder. Guckt mal, Bäume, ich kann den Trick auch!

Heute sind nicht viele Läufer/-innen unterwegs, aber die wenigen sind richtig gut gelaunt, fast alle tragen außer ihren Regenjacken dieses verschwörerische „wir-trotzen-gemeinsam-dem-Wetter“-Lächeln. Ich lächle zurück, freu mich aber bekloppterweise ein bisschen, dass ich viel nasser bin und auch gar keinen Anlass zum Trotzen habe. Ein Naturbursch mit langen Haaren ist auch ohne Jacke in einem tropfenden, dicken Baumwollshirt unterwegs. Da lob ich mir doch die Hightech-Faser, mein Shirt tropft zwar auch, aber es wiegt garantiert nicht so viel.

Am Brunnen mit dem goldenen Hirschen beim Rathaus Schöneberg endet der Weg in einem See, der gestern noch nicht da war. Es führt wirklich kein Weg drum herum, höchstens zurück. Sekundenlang zögere ich, aber dann renne ich mitten durch – wunderbar, das Wasser ist knöcheltief, und es macht einen Höllenspaß, ordentlich Wellen zu schlagen.

Als ich zu Hause die Schuhe ausziehe, bildet sich auf den Dielen ein kleiner Teich um mich. Ich sehe mich im Flurspiegel und grinse mein triefendes Spiegelbild breit an. Was für ein Lauf!

Wetterwarnung und „neuer Plan“

Zugegebenermaßen ist der Titel etwas reißerisch, denn die erstklassige Wetterwarnung für Berlin, die es am Nachmitag noch im Internet zu lesen gab, die Gewittersturm und Verkehrschaos verursachende Regenfälle von über 10l/qm versprach, wurde später einfach wieder abgesagt.

Eigentlich schade, denn schon beim Nachhauseradeln durch den gleichmäßigen Regen überlege ich mir, welches Outfit wohl dem ersten Lauf meines neuen Plans angemessen wäre (stimmt: es hat hier ewig nicht geregnet, jedenfalls nicht, wenn ich laufen war). Es ist einigermaßen frisch auf dem Rad, aber beim Laufen sollte mir ja warm werden. Die Frage ist nur, ob das mit dem Warmwerden schneller geht als mit dem Durchnässen und ob letzteres womöglich ersteres verhindert – andererseits wird es ohnehin mal wieder Zeit für ein neues Wasserexperiment, also nur kurzärmliges Laufshirt übergezogen, Mütze gegen Tropfen auf der Brille übergestülpt und losgelaufen. Welche Enttäuschung: ich habe noch nicht mal die erste Kreuzung erreicht, da hört der Regen ganz auf (umso mehr freue ich mich über die luftige Wahl, als mir später einige Läufer/-innen mit um den Bauch geknoteten Jacken entgegen kommen). Es gibt zwar höchst spektakuläre Wolkenformationen, besonders schön vom Hohen Bogen aus zu bestaunen, aber die bedrohlich aussehenden Wattebäusche bleiben vollkommen dicht. Ich komme ein bisschen schwer in Schwung, aber dann geht’s doch immer besser. Zeit und Distanz geraten zur Punktlandung im „neuen Plan“, und ich freue mich schon auf die Fortsetzung am Donnerstag.

Ach ja der „neue Plan“: ich möchte an der PB kratzen. An der auf 10km. Als Anlass habe ich eine ganz wunderbare Veranstaltung gefunden (klingt zumindest sehr wunderbar): Den 1. Berlin Diplomatic Ladies Run. Veranstaltet von der Botschaft Mali anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Unabhängigkeit. Von den 7 Euro Startgeld gehen 2 Euro als Spende in den Aufbau des malischen Frauenfußballnationalteams. Start ist am Brandenburger Tor, die Strecke noch nicht veröffentlicht. Aber die ist mir erstmal egal. Ich finde das klingt so bezaubernd, dass ich da unbedingt mitlaufen möchte.

P.S.: Jaha, ich habe gesehen, dass es da keine offizielle Zeitmessung gibt. Aber da ich ja sowieso immer nur gegen mich selbst laufe, soll mir Garmine genügen.

Laufen auf der Landebahn

Seit zwei Monaten ist das Tempelhofer Feld ein Park, aber bis aufs öffentliche WM-Gucken im Biergarten, ein Picknick und mal durchradeln habe ich ihn bisher noch nicht so richtig genutzt (doch, da war noch die Marathonstaffel letzten November, die viele von der Strecke her total öd fanden – ich nicht). Bis heute, da hat mich mein Kollege zu einem Abendläufchen abgeholt. Ich kann mir vorstellen, dass die Meinungen zum Laufen dort ziemlich geteilt sind: alles Asphalt, sehr windig, viel zu weit geradeaus. Stimmt ja auch, nur: ich finde es großartig. So viel Weite haben wir sonst nirgendwo in der Stadt.

Wir laufen erstmal eine Runde außen herum. Das ist überhaupt nicht langweilig. Wir unterhalten uns über die Plane Spotters, die hier früher jeden Morgen schon früh mit Teleobjektiven und Trittleitern außen am Zaun standen, wenn ich hinten den Weg an der Oderstraße zur Arbeit radelte. Wo die jetzt wohl Flugzeuge gucken? Der Kollege gesteht, nicht gerade ein Plane Spotter zu sein, sich aber schon für Flugzeuge zu interessieren. Nebenbei beobachten wir, wie andere Menschen auf dem Gelände ihre Freizeit verbringen: es sind viele Fahrräder und Skater unterwegs, manche lassen Drachen steigen, spielen Skate-Hockey, lassen Modellautos oder -flugzeuge auf dem Boden oder in der Luft rumflitzen, picknicken oder grillen. Läuferinnen und Läufer gibt es natürlich auch. Weil das Gelände so riesig ist, verteilen sich die Leute sehr angenehm. Noch schöner wird es sicher, wenn alles etwas mehr verwildert. Naja, und so richtig viel Schatten gibt es bisher auch noch nicht.

Aber egal, es ist schon einigermaßen spät, das Licht ist wunderbar, der Sonnenuntergang zwischen Wolken und Flughafengebäude stimmungsvoll, dann ist auch noch die schmale Mondsichel zu sehen. Nach Ende der Runde laufen wir auf der südlichen Startbahn nach Osten, anschließend auf der nördlichen nach Westen – je 2km geradeaus. Wir laufen nicht etwa nahe am Gras, sondern auf dem Mittelstreifen, wo noch der Gummiabrieb zahlloser bremsender Flugzeugreifen zu sehen ist. Wenn wir schneller wären, würden wir am Ende abheben, aber ehrlich gesagt, bin ich heute ziemlich langsam, und mein Kollege muss sich nach mir richten. Nach rund 10km sind wir wieder am südwestlichen Zugang angekommen, dehnen ein wenig und sind sehr zufrieden mit unserem neuen Park.

Freibad

Das Freibad öffnet um 7:00, und weil heute mein Zeitungszusteller – vermutlich hitzebedingt – bis um 7:15 immer noch nicht geliefert hat, gehe ich eben, anstatt gemütlich beim Frühstück die Zeitung zu lesen, ein bisschen früher schwimmen.

Im 50m-Becken sind zwei Bahnen für Bahnenschwimmer abgetrennt, dort bewegt man sich gegen den Uhrzeigersinn kollisionsarm im Kreis umeinander. Ich schwimme immer erst eine Länge Brust (mal gucken, wie es heute so ist, wie viele Leute im Wasser sind, wie schnell die ungefähr sind), dann eine Länge Kraul (oder eher der Versuch, irgendwann muss ich es mal richtig lernen), die dritte Länge Rücken. Das ist meine Lieblingsdisziplin, da bin ich einigermaßen flott, jedenfalls so flott, dass der Mann, den ich auf seiner Brustlänge kraulend überholt habe, und der sich jetzt mit entschlossenem Blick abstößt und energisch hinter mir her krault, nicht wirklich eine Chance hat, mich einzuholen. Nach einer halben Länge lässt er in seinen Bemühungen auffällig nach.

Einige sind natürlich viel schneller und müssen einen nach der anderen überholen. Blöd für die Schnellen, aber nicht zu ändern, wenn das Wasser so voll ist. Wenn von hinten jemand schnelleres kommt, warte ich am Beckenrand und lasse ihn oder sie vorbei. Manchmal ahnt man zuerst gar nicht, wie schnell die Leute sind: eine kleine blonde Frau krault eine Länge nach der anderen, sie platscht mit den Händen dicht neben ihrem Kopf ins Wasser – richtig gut sieht das nicht aus, aber sie muss unter der Wasseroberfläche ziemlich viel richtig machen, denn sie überrundet mich zweimal.

Mein Dreierrhythmus aus Brust, Kraul und Rücken ist sehr praktisch zum Bahnenzählen, denn je nachdem, in welcher Richtung ich unterwegs bin, weiß ich immer, ob die Rückenstrecke ein gerades oder ungerades Vielfaches von Drei ist. Heute habe ich Zeit für ein Kilometerchen und bin immer noch so früh, dass es unter der Dusche noch kein Gedrängel gibt.

Was das mit Laufen zu tun hat? Hmmm, gestern früh um kurz nach sechs war ich laufen, aber das war keinen Blogeintrag wert: sehr mühsam, Pace niedrig, Puls hoch, und hat nur halb so viel Spaß gemacht wie heute das Wasser. Ich glaube, mir ist warm. Laufen? „Many were increasingly of the opinion that they’d all made a big mistake in coming down from the trees in the first place. And some said that even the trees had been a bad move, and that no one should ever have left the oceans.“ (Douglas Adams, Hitchhiker’s Guide to the Galaxy)

Knapp ein Jahr nach dem ersten Wettkampf

Vor knapp einem Jahr bin ich zum allerersten Mal „öffentlich“ gelaufen – bei der 5 x 5km Teamstaffel im Tiergarten.

Heute war sozusagen einjähriges Wettkampfjubiläum. Wir waren wieder mit drei Staffeln am Start, hatten Picknick und Getränke dabei, das Wetter war prima, nicht so schwül wie gestern, dennoch sonnig und trocken. A. hatte wieder einmal alles vollkommen im Griff, führte Listen über geplante und tatsächlich gelaufene Zeiten, schickte die nächsten Läufer/-innen in die Wechselzone, bzw. hielt sie ein bisschen zurück, wenn sie sich schon zu früh ins Gedränge stürzen wollten. Der Plan, dass alle Teams gleich schnell laufen sollten, ging nicht ganz auf, weil sich einige doch nicht ganz passend eingeschätzt hatten, aber das macht irgendwie ja auch nichts. Es hat wieder großen Spaß gemacht, mit den Kollegen zusammen zu laufen, und ich freue mich, dass die Teamstaffel bei uns so ein Traditionsevent ist.

Das bemerkenswerteste heute war, dass ich mich mehrfach dabei beobachtete, wirklich verwundert darüber zu sein, dass es tatsächlich erst ein Jahr her ist, seit ich meine ersten 5km auf Zeit gelaufen bin.