Nieselregen, Dunkelheit, merkwürdige Lichtreflexe auf der beschlagenen Brille. Aus einem Fußweg, den ich noch nie wahrgenommen habe, biegt ein Radler ein. Der Weg ist einigermaßen beleuchtet, ich nehme ihn einfach. Es geht zwischen dunklen Häusern in großen Gärten entlang, keine Ahnung, wo die nächste Straße sein könnte. Hinter einer Biegung erscheint es plötzlich zwischen Bäumen und Büschen, groß, leuchtend, wie ein riesiges Raumschiff: das große Gewächshaus des Botanischen Gartens – wunderschön in der Dunkelheit. Wie schön, dass da noch Licht brennt. Später komme ich an noch mehr erleuchteten Gewächshäusern vorbei, es ist heute eine richtige Gewächshausstrecke – und sie sind wirklich besser als jede Weihnachtsbeleuchtung.
Matsch auch im Grunewald
Die heutige Sonntagsstrecke verlief für Tinadoro und mich vom Jagdschloss Grunewald nach Südwesten um Krumme Lanke und Schlachtensee. Weicher Matsch auf allen Wegen, nasser Dezemberwald, heute relativ wenig bevölkert. Kurz nach dem Südwestzipfel des Schlachtensees überschritt ich die 1000km-Marke – was ein Glück, dass die dort auf dem Weg eingezeichnet war. Tinadoro kredenzte zur Feier des Anlasses Wasser stilecht aus Trinkgürtelfläschchen, um auf der Stelle auf das Ereignis anzustoßen. Na dann: auf die nächsten 1000 km!
Experimente mit Wasser
Der Aufnahmeantrag zu den Regenfetischisten liegt zur Unterschrift bereit, aber so ganz sicher bin ich noch nicht, ob ich wirklich alle Voraussetzungen erfülle, in diesen illustren Kreis aufgenommen zu werden. Um das herauszufinden, mache ich heute vor Tagesanbruch einige lustige Experimente.
Experiment Nr. 1: Hält mich aufs Fensterbrett trommelnder Regen davon ab, Laufsachen anzuziehen und mich ins Freie zu wagen? Ich lausche kurz in mich hinein, aber da ist kein größerer Widerwille zu spüren. Dann kann es ja losgehen.
Experiment Nr. 2: Ist es möglich, auf Parkwegen, die die ganze Nacht dauerbewässert wurden, größeren Pfützen auszuweichen? Vermutlich. Wenn man über längere Beine oder bessere Sprung- und Sehkraft verfügt als ich. Es ist zumindest zu Anfang stockfinster, die Brille durch Tropfen und Dampf so gut wie undurchsichtig, die Pfützen riesig. Klares Nein – aber vielleicht lässt sich das Experiment ja abwandeln…
Experiment Nr. 3: Wie verteilt sich das Wasser einer mittelgroßen Pfütze, wenn die Oberfläche durch beherztes Hineinplatschen mit einem Laufschuh durchbrochen wird? Die Hypothese, dass es dann zur Seite spritzt und dort verbleibt, bis der Fuß wieder abgehoben hat, muss verworfen werden. Vielmehr scheint es im Zentrum starke Anziehungskräfte zu geben, die dafür sorgen, dass es sturzbachartig das Netzgewebe des Laufschuhs durchdringt.
Experiment Nr. 4: Wie lange dauert es, bis sich das Pfützenwasser im Laufschuh so weit erwärmt, dass der nächste Schwapp wieder als kühlend empfunden wird? Merkwürdigerweise ganz genau bis zur nächsten größeren Pfütze. Das Phänomen sollte eingehender untersucht werden.
Experiment Nr. 5: Wie viel Wasser kann ein Laufschuh aufnehmen, bis es durch das praktische Netzgewebe wieder abfließt? Diese Frage musste leider offen bleiben, da für das Messen der Zusatzparameter (Saugkraft der Laufsocken) noch keine geeigneten Verfahren gefunden werden konnten.
Einschränkend muss vielleicht gesagt werden, dass kalte, nasse Kniegelenke ein wenig quietschen wie alte Schranktüren, aber nach einem vorläufig abschließenden Experiment mit warmem Duschwasser sind keine bleibenden Schäden zu beobachten.
Die Reihe wird fortgesetzt.
Immer noch unterwegs: der Atalante-Trail
Meine Dienstreise endet mit einem ganz und gar freien Wochenende, der Rückflug ist erst morgen. Weil es nun im Troodos-Gebirge keine empfohlenen Laufstrecken gibt, muss es eben ein Wanderweg sein, der Atalante Nature Trail (Atalante ist nach Wikipedia eine von der Bärin groß gezogene Jägerin, u.a. die (damals, nehme ich an) schnellste Läuferin Griechenlands). Der Trail geht auf einer Höhe von an die 1800 m einmal außen um den höchsten Berg Zyperns, den Olympos (1952m) herum. Der Plan ist klar: das wird gelaufen, nicht gewandert. Die freundliche Rezeptionistin sagt mir noch, dass der Trail gleich hinter dem Haus vorbei geht, ich solle aber lieber erst um zehn los, vorher seien noch die Jäger in den Bergen. Egal denke ich mir, die werden eine schnaufende Flachlandziege in orangefarbenem Shirt schon nicht mit einem Mufflon verwechseln – oder mit hinter was immer sie her sind.
Ich ziehe also kurz nach acht mit einem halben Liter Wasser in der einen und dem Fotohandy in der anderen Hand los. Im Wald knallt es tatsächlich öfter mal, ich höre aber auch Glöckchen und frage mich, ob die Einheimischen wohl ihre Hausziegen erschießen. Nach kurzer Strecke klärt sich dieser Irrtum auf: ich treffe auf den ersten Jäger mit Hund – letzterer trägt Glöckchen am Halsband und bimmelt wie ein kleines Schaf. Vor Schreck – hey, ein großer Mann mit einem großen Gewehr! – fällt mir im ersten Moment nicht mehr ein, dass man hier ja nicht „Good Morning“, sondern „Kalimera“ sagt, aber englisch wird auch verstanden. Der Jäger pfeift auch gleich seinen Hund zu sich, so dass ich locker an beiden vorbei joggen kann. Der Weg ist einigermaßen holperig, dafür ist die Aussicht grandios: Berge, Berge, Berge und dahinter das Meer – und das in wechselnden Himmelsrichtungen – wie gesagt, es geht einmal rund herum. Zwischen den Felsen stehen struppige Kiefern, die ziemlich vom Wetter gebeutelt aussehen. Ich bleibe gelegentlich stehen und mache ein paar Bilder. Den malerischen Eingang zu einer verlassenen Chrommine fotografiere ich aber nicht, denn genau davor steht wieder so ein martialisch aussehender Jäger in Tarnfarben – immerhin bin ich jetzt auf Kalimera eingestellt.
Sehr niedlich sind die Schilder des örtlichen Fremdenverkehrsbüros: da stehen neben Pflanzen- und Steinnamen auch mal interessante Informationen wie „Aussicht“ oder „Tote Kiefer“ (an einer toten Kiefer angebracht). Die Luft ist zwar noch recht kühl, aber die Sonne knallt doch mit Kraft auf den Kopf, die Steigungen sind zwar moderat, aber das ungewohnte auf-den-Untergrund-Aufpassen lässt den Puls doch ordentlich arbeiten. Irgendwann werden die Bäume dichter, es geht durch einen Wald und plötzlich ist der Boden ganz weich von Kiefernnadeln – oh wie schön, ein Teppich! Auf den letzten drei Kilometern geht es nochmal tüchtig runter und wieder hoch, aber nach rund 13km stehe ich auch schon wieder unterhalb des Hotels. So schön: das Licht, die Bäume, die Aussicht – dass Laufen so wunderbar sein kann!
P.S.: Bilder gibt es leider keine – ich kriege sie nicht vom Telefon auf den Arbeitsrechner.
Laufen unterwegs – Limassol Strandpromenade
Dienstreise, wieder Limassol. Dieses Mal ein Hotel direkt am Strand, also beste Bedingungen für ein Vorfrühstücksläufchen. Um 1/4 nach 6 haben die Wolken, die auf dem Horizont liegen, oben einen leuchtend roten Saum, kurz danach steht die Sonne schon drüber und die Frage, ob kurzärmlig reicht, hat sich sowas von erübrigt.
Auf dem Weg am Strand entlang sind richtig viele Leute unterwegs, die meisten älter und spazierend – nee, das muss wohl „walkend“ heißen, denn sie tragen alle Sportkleidung. Sehr wenige laufen auch. Hochinteressant: nachdem ich gestern am späten Nachmittag die einzige Person weit und breit war, die im Meer schwimmen war, bin ich sehr erfreut zu sehen, dass am Morgen richtig viele ältere Leute in größeren Gruppen beim Baden sind. Ich bin ganz traurig, dass die Zeit nicht für laufen und schwimmen ausreicht.
Später im Büro die Kursteilnehmer schütteln sich, als ich begeistert davon erzähle, und sprechen etwas befremdet von „winter swimmers“. Sie finden es um diese Jahreszeit viiieeel zu kalt (das Wasser muss so 20° haben). Mir egal: morgen früh geh ich auch schwimmen – laufen kann ich auch nach Feierabend, wenn es dunkel wird. Oder übermorgen wieder…
