100 Meilen – oder 13 Kilometer

Das ganze (vorletzte) Wochenende war Mauerweglauf. Schon am späten Freitagnachmittag stolpere ich, den Blick fest aufs Smartphone geheftet, die Karl-Liebknecht-Straße entlang und frage mich, wo denn dieses Ramada-Hotel ist. Dabei renne ich fast eine kleine Frau im geringelten Sommerkleid über den Haufen: meine Staffelpartnerin stachel! Wir sind zum Startnummern-Abholen verabredet, Thoröö ist auch da, kurze Zeit später kommt unsere Vierte Karina dazu und die Mauerwegsteinläuse sind komplett. Startnummern, Gruppenfoto, Pastaparty-Büffet (mit Salat und Nachtisch – sehr, sehr klasse!). Das Staffelbriefing beginnt mit leichter Verspätung, ist dafür aber ziemlich kurzweilig – vor allem der medizinische Teil, wo Rennarzt Carsten Bölke grauslige Fotos der schlimmsten Blessuren der Vorjahre zeigt und launig von Teilnehmern aus den letzten Jahren berichtet, die trotz böser Verletzungen noch finishen konnten. Das soll vor allem heißen: wir nehmen keinen leichtfertig aus dem Rennen, aber wenn wir es tun, hört ihr auf uns und auf. Es wird viel gelacht.

Nach dem Briefing verabschiede ich mich schnell, denn um 4:30 ist die Nacht vorbei. Als ich kurz vor fünf wieder vors Haus trete, ist es warm, ich brauche nichts außer meinem Laufrucksack mit zwei noch leeren 0,25l-Fläschchen (ein halber Liter an der Läuferin ist Pflicht bei dem Wetter), Käppi, Hausschlüssel und einem Notgroschen. Außer mir ist in der BVG nur Nachtschwärmervolk unterwegs. Es riecht nach Bier und einigen merkt man sehr deutlich an, dass sie tüchtig gefeiert haben. Am Potsdamer Platz steigt ein Läufer mit 4er-Staffel-Startnummer ein und setzt sich gleich zu mir. Wir plaudern bis Eberswalder Straße und suchen dann gemeinsam den Eingang zum Jahn-Stadion. Noch ist Gelegenheit, den großen Heldinnen und Helden, die sich die ganze Strecke vornehmen, alles Gute für die weite Reise zu wünschen. 100 Meilen – Wahnsinn! Um Punkt sechs werden sie unter Applaus auf die Strecke geschickt.

Wir StaffelstarterInnen sind eine Stunde später dran. Meine gesamte Staffel ist früh aufgestandenen um beim Start dabeizusein, das ist fein. Wir wollen uns danach an allen Wechselpunkten wieder treffen – als Staffel kann man gar nicht genug jubeln. Der Startschuss fällt, und es geht eine Runde ums Stadion. Die Meute rennt los, als wären wir beim 10km-Lauf und ich finde mich ganz schnell weit hinten wieder. Dort aber in guter Gesellschaft von Kay aus der LG Mauerweg, der die Zweierstaffel läuft. Er findet, wir hätten Zeit und wir pendeln uns schnell auf eine gute 6er-Pace ein.

Kurz hinter der Bornholmer Brücke führt der Mauerweg durch diese verwunschene Ecke, wo sich zwei S-Bahn-Linien treffen, wunderschön verwildert, und das mitten in der Stadt, die Strecke führt leicht bergab. Da fühle ich einen stechenden Schmerz in der Kniekehle. Was ist das denn??? Ich schnappe nach Luft und befehle dem Fahrgestell einfach weiter zu laufen. Nichts anmerken lassen, es sind noch nicht mal drei Kilometer vergangen, ich laufe Staffel, ich habe eine Verantwortung. Gleichzeitig ist es mir unendlich peinlich, nach diesen paar Schritten! Der Schmerz rutscht ein paar Zentimeter nach unten in die Wade, wo er einen glühenden Klumpen bildet. Das darf doch nicht wahr sein, dass so ein harmloses Körperteil so zickt! Ich gehe erstmal ein paar Schritte. Dehnen, anlaufen, geht nicht. Nochmal ein paar Schritte gehen, nochmal anlaufen. Ein älterer Mann mit kleinem Hund schaut mir interessiert auf die Beine – ich entschuldige mich quasi: „Ja, ich weiß, das ist zu früh zum Humpeln“. Er lächelt mitleidig. Am S-Bahnhof Wollankstraße ist die Ampel rot. Gut. Zwar ist weit und breit keine Rennleitung, die mich disqualifizieren könnte, aber die Pause ist willkommen. Antje vom Team Mauerblümchen läuft heran. Ich eiere neben ihr her, sie versucht mich etwas aufzuheitern. Die Ablenkung hilft ein bisschen, zum Glück läuft Antje nicht schnell. Ich beschließe bis zum 1. VP mitzulaufen, vielleicht kennt sich dort jemand mit Waden aus.

Das VP-Team ist reizend, ein Helfer versucht meine Wade durch die berühmte Treppenübung zu mobilisieren, aber das findet die blöd. Ich telefoniere mit stachel. Das Team wollte sich gerade gemütlich zum Frühstücken niederlassen, jetzt machen wir aus, dass ich noch langsam bis zum 2. VP laufe, und Karina bereits dort übernimmt. Ich bin total geknickt, es ist mir ungeheuer peinlich, wegen so einer bescheuerten Wade aufzugeben. Das Mauerblümchen ist schon nach vorne entschwunden, ich hopple hinterher. Vielleicht ist es ja doch nicht so schlimm? Würde ich es bis Hennigsdorf schaffen? Habe ich zu früh telefoniert? Wenn der Schmerz nicht schlimmer würde, könnte ich vielleicht durchhalten? Oder innerhalb der Cutoff-Zeit wandern? Viele toughe Läuferinnen würden das einfach durchziehen! Bin ich zu zimperlich? Oh ja, bin ich – bin zwar furchtbar enttäuscht und wütend auf mich und die Wade, aber es fühlt sich leider tatsächlich nach aufhören an. Mist, Mist, Mist!!! Der 2. VP ist bei KM 13. Wechsel. Mir kullern ein paar Tränchen, ich hatte mich soo gut vorbereitet gefühlt, und soo auf den Lauf gefreut. Karina, die Tapfere, streift den Transponder übers Handgelenk und läuft los. Hoffentlich schafft sie diese weite Strecke.

Ab dem Zeitpunkt bin ich Publikum. Nächster Treffpunkt ist Hennigsdorf, dort, wo eigentlich gewechselt würde, und wo Titouli und Jörg, unser Besuch aus Frankfurt, uns treffen wollen. Es ist heiß, Schwämme und ein Rasensprenger vor dem Ruderclub sind den Läuferinnen eine willkommene Erfrischung. Als Karina ankommt, strahlt sie – aber sie hat ja auch erst gut einen Halbmarathon hinter sich, bis zum nächsten Wechselpunkt sind es nochmal 37km – hoffentlich schafft sie es gut. Eine ganze Weile, nachdem sie weg ist, machen wir – die Reststaffel und unsere Supporter – uns auf den Weg nach Sacrow. Toll ist, wenn die Strecke, die wir mit dem Auto fahren, am Mauerweg entlang führt. Karina sehen wir locker plaudernd mit einem anderen Läufer. Wir sehen auch Olly, Titoulis Mitbewohner, der heute seinen ersten Ultra läuft – und dann gleich diese Strecke!

Im Schlosspark Sacrow ist der VP direkt am Schloss aufgebaut. Gegen die Wespen wird Kaffee in Metallschalen verbrannt, das raucht wie Hölle, riecht aber nicht schlecht und funktioniert hervorragend. Hier bei KM 71 wechseln nicht nur die Vierer- und Zweierstaffeln, es liegen auch Dropbags für die Einzelläufer/-innen bereit, so dass die bei Bedarf Schuhe und Shirts wechseln können. Olly kommt an, er ist sehr vergnügt, würde am liebsten zwischendurch mal duschen, aber das geht hier nicht. Dann muss es eben mit einem kleinen Fußbad und Schuhwechsel gehen. Er stärkt sich noch am VP, dann macht er sich wieder auf den Weg. Die Supporter und ich spazieren ein bisschen durch den Park, sind aber frühzeitig wieder da, um Karina zu empfangen. Irgendwann kommt sie, sie strahlt immer noch, ist erschöpft, aber glücklich. Sie hat ein paar Blasen, und verkündet als erstes, dass sie jetzt erst glaubt, dass man so eine Strecke – 59 km – tatsächlich ohne ausreichendes Training bewältigen könne. Ich bin ja so erleichtert, dass es ihr so gut geht, und unglaublich stolz auf sie. Schnell ein Staffelfoto, dann macht sich stachel auf den Weg. Auch sie sehen wir später auf der Strecke, als wir mit dem Auto nach Teltow zum nächsten Wechselpunkt fahren.

Dort verabschieden wir uns für eine Weile, denn die Supporter sind sehr hungrig und wollen in die Stadt zurück. Wir nehmen die S-Bahn, essen was beim Thai und fahren dann zu mir. Ich mache ein kleines Nickerchen, aber nur eine Stunde, denn ich bin noch einmal im Jahn-Stadion verabredet. Wieder ist die U-Bahn voller Partypeople. Im Stadion sind Stachel und Karina auch gerade wieder eingetroffen. Es wird zwar noch dauern, bis Thoröö ankommt, aber zu dritt trinken wir Erdinger und bejubeln alle Finisher. Im Stadion brennt nur auf der gegenüberliegenden Seite Flutlicht und leuchtet in unsere Richtung. Vermutlich, damit es den Nachbarn nicht so grell in die Schlafzimmer scheint, aber so ist es ziemlich schummrig auf der Gegengerade, und die Läufer sind schwer zu erkennen, wenn sie die letzten Meter hinter sich bringen. Die Moderatorin verstehen wir auch nicht sehr gut, aber egal, Jubel haben alle verdient. Kurz nach eins läuft die erste Zweierstaffel ins Ziel, Team Karl-Friedrich. Die Startläuferin war mir schon in Hennigsdorf und beim Wechsel in Sacrow aufgefallen, eine ausgesprochen fröhliche junge Frau, die wirkte, als sei das alles ein Kinderspiel. Gegen halb zwei trifft die zweite 100-Meilen-Frau ein, Ursula Hotz aus der Schweiz, Wahnsinn, sie hat gerade mal neunzehneinhalb Stunden gebraucht.

Der Liveticker funkt die Zwischenzeiten nur von jedem zweiten VP, ach deshalb dauert das immer so lang bis zum nächsten Update, und dann gibt es plötzlich zwei Werte. Thoröö ist am Checkpoint Charly, er hat noch acht Kilometer vor sich, wir stärken uns derweil mit Stullen. Eine SMS meldet, dass es unserem Schlussläufer nicht mehr leicht fällt. Wir schicken gute Wünsche in die Nacht. Kurz nach halb drei hat Olly es geschafft, sein Ziel waren 23:59 gewesen (wegen der Gürtelschnalle), tatsächlich war er dreieinhalb Stunden schneller, das ist unglaublich toll. Wenige Minuten später ist auch Thoröö da, Karina rennt die ganze Stadionrunde mit, stachel und ich nur die letzten paar Meter. Geschafft, die Mauerwegsteinläuse sind im Ziel! Viele sind noch auf der Strecke, ich bewundere jede und jeden von ihnen zutiefst für dieses unvorstellbare Durchhaltevermögen. Wir machen uns erstmal auf den Heimweg, denn in wenigen Stunden ist Siegerehrung, da muss noch ein letztes Mal gejubelt werden. Liebe Steinläuse, Ihr wart ein Spitzenteam, vielen Dank für den sehr schönen Tag!

Passivsport – Rugby

Der lange Lauf muss schon am Samstag stattfinden, denn am Sonntag habe ich besseres vor: das letzte Saisonspiel der Berlin Bruisers als Supporterin verfolgen. Ich habe C. beim Geburtstag meiner Freundin S. kennen gelernt, wo er mir mit Leuchtaugen von „seinem“ Sport Rugby erzählte. Das Gefühl kenne ich, und wenn einer beim Erzählen leuchtende Augen bekommt, möchte ich gerne mehr erfahren.

Das Team, bei dem C. mitspielt sind die Berlin Bruisers, „Germany’s first gay and inclusive Rugby Team“. Das heißt, die Spieler kommen aus wer weiß wie vielen Nationen, die meisten sind schwul, es spielen aber auch ein paar Heten mit.

S. ist ständige Supporterin der Bruisers und fährt C. mit dem Auto zum Spiel, ich darf auch mit. Pünktlich zwei Stunden vor Anpfiff sind wir im Stadion von Stahl Hennigsdorf, einem Traditionsverein, in dem schon seit 1948 Rugby gespielt wird. Da die Bruisers kein eigenes Spielfeld haben, haben sie nur Auswärtsspiele, d. h. auch das Hinspiel fand schon hier statt. Kurz nach uns trudelt das Team ein, alle begrüßen sich herzlich, stehen noch eine Weile rum, bis sie sich dann ins Spieloutfit werfen, das „Kit“ heißt und zu meiner Verblüffung so gut wie keine Polsterung besitzt (es ist allerdings erlaubt, ein ganz dünn gepolstertes Leibchen drunter zu tragen, was einige auch tun). Es gibt beim Rugby auch keine Helme wie bei American Football, sondern eine Art textilen Kopfschutz (Scrum-cap) von maximal 10mm Polsterung, den aber nur wenige Spieler vor Ort tragen. Mundschutz müssen alle tragen. Außerdem entfernen die Spieler, die welche haben, ihre Ohrpflöcke und kleben sich Pflaster über die Löcher. Ein Spieler kommt angelaufen und bittet uns, mit seiner Kamera das Spiel zu fotografieren. Da S. nicht möchte, habe ich plötzlich eine Aufgabe, super. Das Tele finde ich etwas gewöhnungsbeürftig (70-210mm) – ich bin keine Fotografin, habe aber vor, mein bestes zu geben.

Mir gefällt schon das Aufwärmen. Die Bruisers laufen viel, werfen und fangen den eiförmigen Ball und üben Scrum, das „Gedränge“. Stahl hat dicke folienüberzogene Schaumstoffquader mit Griffen an der Rückseite, die von einem Spieler gehalten werden, während die anderen mit voller Wucht dagegen rennen. Sie haben auch eine Scrum-Maschine. Materielle Überlegenheit auf ganzer Linie – nun ja, das Hinspiel haben die Bruisers mit ungefähr 0:70 verloren, und heute erwarten sie nicht viel mehr.

Kurz vor Anpfiff erscheinen die Cheerleaders von Stahl, kleine Mädchen zwischen vielleicht 5 und 12. Sie bilden ein Spalier und wedeln aufs Niedlichste mit ihren blauweißen Puscheln, während ihre Mannschaft zu Fanfarenklängen einläuft. So etwas haben die Bruisers nicht, und einige unserer vielleicht zehn Supporter verdrehen ein wenig die Augen angesichts von so viel Pomp. Wir haben aber auch einen Cheerleader: J. trägt einen Morphsuit und zwei Glitzerbändchen in Bruisers-Lila und springt elfengleich am Spielfeldrand auf und ab. Ich finde J. großartig und lerne ein wenig Fachvokabular von ihm und dass wir unser Team mit „GO BRUISERS!!!“ anfeuern.
Morphsuit

Das Spiel wird angepfiffen, die Mannschaften stürmen los. Es geht darum, den Ball hinter die Ziellinie der gegnerischen Mannschaft zu tragen – werfen nach vorne ist nicht erlaubt, Abspiel zu Mitspielern nur nach hinten. Wer mit dem Ball rennt, wird von der Gegenmannschaft getackelt, also zu Boden geworfen, und versucht schnell noch den Ball an die eigenen Leute abzugeben. Das soll durch einen Ruck begünstigt werden, das heißt, Mitspieler werfen sich über den am Boden liegenden Ballhalter, damit der den Ball an die eigenen Leute abgeben kann. Wenn es gelingt, den Ball hinter die Ziellinie zu schaffen, heißt das Try (Versuch). Die Mannschaft bekommt fünf Punkte und darf noch einen Conversion Kick ausführen – von wo genau habe ich nicht verstanden, jedenfalls auf einer Linie, die die Stelle, wo der Try erzielt wurde, parallel zum Spielfeldrand schneidet. Dabei wird der Ball mit dem Fuß auf das H-förmige Tor geschossen, und wenn er zwischen den senkrechten Stangen hindurch über die Querlatte fliegt, gibt es noch zwei Punkte. Ob das geklappt hat, kann ich kein einziges Mal erkennen, aber da hinten stehen Spieler mit Fähnchen, die sie hochhalten, wenn getroffen wurde, so dass auch ahnungsloses Publikum Bescheid weiß. Die Bruisers verteidigen gut, und es vergeht fast eine Viertelstunde bis Stahl den ersten Try erzielt. Unsere Supporter sind euphorisch, manche versteigen sich zur Spekulation, dass heute vielleicht doch der erste Try der Saison drin sein könnte. Zweimal sind die Bruisers ganz knapp davor, aber wenige Meter vor der Linie wird unser heranstürmender Spieler zu Boden gerissen und Stahl schnappt sich den Ball. Schade.

Fouls werden mit einem Scrum, einem Gedränge geahndet. Drei Reihen von Spielern stehen einander gegenüber. Nach genauen Regeln und auf Kommando des Schiedsrichters verknäulen sie sich zu einer Art Schildkröte, der Ball wird gerade unter dieses Gebilde gerollt und beide Teams versuchen, die anderen weg- und sich selbst über den Ball zu schieben, damit der eigene Hooker (deutsch: Hakler) den Ball dem eigenen Team zuschubsen kann. Der wird dann hinten durchgereicht, irgendwer brüllt „Ball’s out!“ und das Spiel geht weiter.
Scrum

Einwurf – Line-out – ist auch spektakulär: Spieler beider Mannschaften bilden eine Gasse, der Ball wird in die Mitte zwischen beiden Reihen eingeworfen. Mehrere Spieler stemmen einen aus dem Team hoch, damit der hoffentlich dem Gegner den Ball wegschnappt.
line-out

Bis zur Halbzeit steht es „nur“ 0:14 – das ist schon ziemlich klasse. Außerdem heißt es, die Bruisers spielen ausgesprochen fair, das wird von vielen Schiedsrichtern honoriert (C. sagt, es fehle aber auch an Erfahrung was effizientes Foulen angeht). In der zweiten Halbzeit lassen die Kräfte dann etwas nach, Stahl Hennigsdorf erzielt noch einige Punkte, aber das macht alles nichts. Am Ende steht es 0:50, der Coach ist mit seinen Bruisers sehr zufrieden, denn sie haben sich im Laufe der Saison merklich gesteigert, Erfahrung gewonnen, und nach der Saison ist schließlich vor der Saison: in der nächsten werden sie garantiert den ersten Try in einem Ligaspiel schaffen.

Mir hat es gut gefallen, und vielleicht darf ich in der nächsten Saison ja wieder einmal mit. Die Bruisers haben jedenfalls einen Fan mehr. Die Fotografin von Stahl hat übrigens viel bessere Fotos gemacht als ich, falls jemand schauen möchte, hier sind sie.

Laufen unterwegs – Frühling in Winterthur

Kurz vor Abreise hat Knopf_13 mir aus einer großen Misere geholfen. Weil das Garmin-Plugin für gpsies.com nicht mehr geht, und es mir nicht geglückt ist, mit diesem doofen Garmin Connect Strecken auf die Garmine zu schubsen – immer und immer wieder Fehler bei der Synchronisation – war ich schon ziemlich verzweifelt: eine nahende Reise und keine schicken Strecken auf der Uhr. Ja, ja, vielleicht sollte ich viel spontaner sein, aber echt mal, mit dieser Wurmnavigation auf der Uhr renne ich viel unbeschwerter in unbekannten Wäldern rum. Jedenfalls hat Knopf_13 gewusst, dass es mit dem guten alten Trainingscenter noch geht. Ich also die Uhr präpariert, nach Zürich geflogen, sofort eine Bahn nach Winterthur erwischt und schon gegen elf im Hotel eingecheckt. Super, da komme ich ja früh los. Musste dann aber doch erst noch eine Kleinigkeit zu essen jagen und ein Nickerchen machen, das mache ich sonst nie.

Um halb zwei geht es endlich los, Plan ist es, vom Bahnhof aus nach Süden bis zur Töss, dann durchs Tösstal bis Sennhof und in einem großen Bogen um den Eschenberg zurück Richtung Winterthur zu laufen. Schon der Weg aus der Stadt ist unglaublich. Was der Frühling hier treibt, ist mehr als üppig. Bäume und Büsche blühen wie verrückt, in den Mischwäldern ringsum mischen die jungen quietschgrünen Buchenblätter die dunklen Tannen so richtig auf, dazu Sonne, kurze Laufklamotten und etwas, woran ich gar nicht mehr gedacht hatte: Mittagshitze! Stimmt ja, viele versuchen in der warmen Jahreszeit lieber früh oder später zu laufen. Ich genieße die Sonne auf der Haut, bekomme aber schon nach einem Kilometer Durst. Das muss mental sein. Macht aber nix, denn am Straßenrand plätschert Wasser aus einem Rohr in ein kleines Becken. Super Service!

Der Weg verlässt die Straße und folgt der Töss stromauf. Alle paar Meter gibt es flache Staustufen, höchstens dreißig Zentimeter hoch, aber es geht stetig sanft bergauf. Der Fluß plätschert, die Winterthurer Bevölkerung erholt sich spazierend, wandernd oder radelnd – wobei der Unterschied zwischen den ersten beiden Aktivitäten deutlich durch die Wahl des Outfits demonstriert wird. An allen mit Steinen befestigten Feuerstellen, werden Feuerchen gemacht, zum Teil mitgebrachter Proviant an Stecken darüber gehalten. Es ist ja dermaßen schön hier! Eine überdachte Brücke sieht aus wie in „Die Brücken am Fluß“. Sie hat auf jeder Seite zwei Fenster, an die von innen Trittleitern angebracht sind, so dass die Touristin hochkletterten und auf den Fluss schauen kann. Mach ich natürlich. Einmal muss ich auch unbedingt ans Ufer hinunter steigen und ins Wasser fassen, es fühlt sich großartig an. Im Gras gibt es leuchtende Löwenzahnsonnen und neongrüne kleine Blumen, von denen ich nicht weiß, wie sie heißen. Der Wald riecht warm nach Moos und stellenweise nach Bärlauch. Den halte ich übrigens für total überbewertetes Modegemüse.

Die Töss macht schöne Mäander, aber dennoch bin ich viel zu schnell in Sennhof, wo ich den Flußlauf verlasen soll. Es kommt mir ein bisschen langweilig vor, den Eschenberg einfach nur zu umrunden, wo es oben doch einen Aussichtsturm geben soll. Bei Googlemaps sah es vorher auch aus, als gäbe es so viele Wege auf und über diesen Berg, dass eine sich gar nicht verlaufen kann. Kurzentschlossen biege ich in einen Weg ein, der bergan führt.

Das Rauschen des Wassers hört auf, Vöglein zwitschern im Wald, und chillige Loungemusik erklingt. Hä? Die Töne kommen aus einer nach vorne hin offenen Wetterhütte, in der es sich drei männliche Jugendliche mit einer Shisha gemütlich gemacht haben. Die Schweizer Jugend mit augenscheinlichem Migrationshintergrund ist sehr höflich und spendiert mir ein freundliches Grüezi. Ich schnaufe bergauf, langsam, in kleinen Schritten, aber laufend. Ein Bächlein kommt mir entgegen, ich beschließe, dass das Wasser trinkbar ist (mindestens einmal…), finde es sehr köstlich und schwappe auch eine Handvoll über den Kopf.

An einer Wegabelung bin ich nicht sicher, in welche Richtung es wohl mehr bergauf und vor allem hoffentlich Richtung Aussichtsturm geht. Wanderwegweiser gibt’s keine, nur Wegbezeichnungen auf Holzschildern für die Waldwege, die mir natürlich gar nicht weiter helfen. Vielleicht links, da sieht es steiler aus. Plötzlich höre ich Gebimmel, laut, hoch und tief und vielstimmig. Sind das Kuhglocken? Hoffentlich komme ich bei den Kühen vorbei, das müssen viele sein. Ich frage ein Wandererpaar (Outfit!) nach dem Weg zum Aussichtsturm, und die Frau sagt, das sei aber weit. Der Mann sagt, so weit auch wieder nicht, und er weist mir die Richtung. Da vorne habe es ein Fescht, da geht es rechts hoch und dann in diese Richtung. Der Weg führt erst ein bisschen bergab, dann aus dem Wald hinaus und glücklicherweise an der Weide der lauten Kühe vorbei. Wunderbar, muss gleich mit dem Handy eine kleine Tonaufnahme machen, das klingt großartig!

Auf einer Anhöhe stehen Menschen mit dem Rücken zu mir, die dadurch logischerweise alle in die gleiche Richtung schauen. Ich muss unbedingt wissen, um was für ein Schauspiel es sich handelt, laufe direkt darauf zu und steige durch eine Absperrung aus Flatterband. Das war nicht so ganz korrekt, denn eigentlich kostet das da Eintritt, und der Eingang ist auf der anderen Seite. Aber eine Läuferin in kurzen Hosen ist ganz offensichtlich unsichtbar, denn alle verfolgen aufmerksam das Spektakel in der Mitte. Dort sind drei Kreise von vielleicht sieben Metern Durchmesser dick mit Sägemehl bedeckt. In der Mitte je zwei junge Männer, die über der langen eine kurze Hose aus Sackleinen tragen, an der sie sich gegenseitig packen und versuchen zu Boden zu ringen. Dieser Sport heißt Schwingen und ist ein Nationalsport. Ein kleines Mädchen sammelt „leere Flaschli“ in einen Kasten, was ich sehr niedlich finde. Ich schaue eine Weile zu und verlasse den Festplatz durch den Eingang.

Der Eschenbergturm ist 30 m hoch, eine Wendeltreppe führt über mehrere Plattformen nach oben. Alles wirkt sehr transparent und ein ganz bisschen ist es mir unheimlich. Auf der Plattform ist schwer was los, die Aussicht ist großartig, Schneeberge im Süden, ringsum der hell-dunkelgrüne  Wald, im Norden Winterthur. Ein Flugzeug, das gerade auf dem Zürcher Flughafen gestartet ist, wird aufmerksam beobachtet. Ist das Riad fragt einer? Nein, Emirates, sagt ein anderer, und die Umstehenden stimmen zu, ja genau, Emirates. Sind das hier Planespotters? Ich steige wieder hinab und laufe Richtung Stadt zurück. Jetzt geht es nur noch bergab, erstmal Waldautobahn, aber zum Glück zweigt ein netter Trimm-dich-Pfad ab, der heutzutage Vitaparcours heißt, und mich ganz in der Nähe meines Ausgangspunkts wieder ausspuckt.

Am Bahnhof gibt’s ein fettes Belohnungseis, wobei das ein völlig irreführender Ausdruck ist, denn eigentlich war der Lauf ja schon eine Riesenbelohnung, wofür auch immer.

Laufgruppe – zweimal um den Fennsee

Osterferien, Urlaubszeit – am Treffpunkt in der Lobby finden sich außer mir fünf Laufwillige ein, zwei echte Neulinge (von denen mir einer schon morgens ganz stolz die neuen Laufschuhe präsentiert hat) und drei junge Hüpfer, die alle schon mal an irgendeinem Firmenlaufevent mitgemacht haben. Oh je, die werden von meinem Programm völlig unterfordert sein!

Wir fahren mit Autos zum Parkplatz am Eisstadion Wilmersdorf. Bis dorthin ist es zwar nur ein Kilometer, aber wenn das Endziel im Juni fünf sind, scheint es mir nicht motivierend, davon 40% für den völlig öden Hin- und Rückweg zu verschwenden. Auf dem Weg zum Park kündige ich schon mal an, dass wer sich unterfordert fühlt, gerne voraus laufen, Schleifen drehen oder sonst für die eigene Unterhaltung sorgen möge. Wir fangen an mit ein paar Lockerungsübungen auf dem Spielplatz, dann gehen wir flott los – während des Aufwärmens gibt es Lauf-ABC im Gehen. Das sieht zwar noch bekloppter aus als im Laufen, aber ich habe neulich im Seminar gelernt, dass das schonender ist, wenn die Leute ihre Puste noch für die dreimal drei Minuten Laufen benötigen. Natürlich werden wir von Spaziergängern angesprochen „Machen Sie die Störche nach?“ fragt eine Frau „Wir wollen sie anlocken,“ behaupte ich und hoffe, dass es meinen Schäfchen nicht zu albern ist.

Dann piepst Garmine (natürlich habe ich sie mit meinen Laufgruppenintervallen gefüttert) und wir beschleunigen. Die vier Jungs rennen vorneweg, die Kollegin und ich traben in aller Gemütlichkeit hinterher. Als drei Minuten um sind, hüpfen die Jungs auf der Stelle, bis wir aufgeholt haben. Auch eine gute Übung. Wir gehen wieder und sind schon das erste Mal um den See. Oh, das geht schneller als gedacht. Gehpause, und los geht’s ins zweite Intervall.

Und dann ist das dritte Intervall vorbei, wir gehen noch bis zum Spielplatz. Die Kollegin hat ein kleines bisschen gerötete Wangen, und sagt, es sei zwar anstrengend, aber nicht so anstrengend wie manche Einheit im Fitnessstudio. Am Spielplatz warten auch die Hüpfer, und wie gelernt gibt es zum Abschluss noch ein bisschen gemeinsames Dehnen. Alle versichern, wieder mitlaufen zu wollen. Erleichterung: Premiere geglückt!

Laufgruppe – Och Menno, es stürmt

Heute früh musste ich beim ersten Blick aus dem Fenster doch ein bisschen fluchen – Schneetreiben!!! Graupel!!! Wind!!! Und das heute, wo die Laufgruppe das erste Mal losziehen will. Gestern hatte ich noch ein optimistisches „Wir laufen bei jedem Wetter“ in die Runde geschickt, aber vorhin kam schon die erste schriftliche Absage und zwei Kollegen standen nacheinander bei mir im Büro und hatten Bedenken. Ein bisschen kann ich das ja auch verstehen, denn wer noch gar nicht gelaufen ist, kann sich eben nicht vorstellen, dass das wirklich bei jedem Wetter geht und auch noch Spaß machen kann. Mal abgesehen davon, dass es auch unter gestandenen Läuferinnen und Läufern welche gibt, die bei Nässe von oben ein wenig zimperlich werden. Vielleicht sollte ich gleich die Aufnahmeformulare für die Regenfetischisten bereitlegen?

Es soll aber noch nachlassen. Und wie sagte Karl Valentin (wurde gestern im Wetterbericht zitiert)? „Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.“ Schaun wir mal…

***UPDATE***

Wetterwarnung
Niklas heißt das Tief und der Tagesspiegel meldet folgendes: „In Nordrhein-Westfalen musste bereits der Regionalverkehr eingestellt werden. In Hamburg ist der Dom gesperrt. Und in Friedrichshain-Kreuzberg bleiben die Sportplätze geschlossen, denn heute Abend werden orkanartige Böen in Berlin erwartet.“