Das Ende von Jogmap

Am 2. Mai hat der Admin das Ende von Jogmap bekanntgegeben, die Seite wird am 22. Mai abgeschaltet. Uff. Ein Schock. Auch wenn ich in letzter Zeit nicht sehr aktiv war (den Satz habe ich in sehr vielen Jogmap-Abgesängen gelesen) und letztes Jahr irgendwann aufgegeben habe, meine Kilometer auch dort noch einzutragen (rubiTrack ist mein Tool der Wahl), Jogmap war mein Läuferinnenleben.

Auf jede Frage in den Foren gab es hilfreiche Antworten, die Themenvielfalt deckt alles ab, was ich jemals übers Laufen wissen wollte: Trainingspläne und -ideen, Schuhe, Sprengung, Barfußlaufen, Laufuhren, Ernährung, Sportstreak, Schwimmen, Radeln (auch wenn ich letzteres nie aus sportlichen Gründen tun möchte) usw. Nirgendwo anders wird Laufinformation so freundlich rübergereicht.

Das allerbeste aber waren immer die Blogs. Sie sind eine unglaublich vielseitig sprudelnde Quelle der Inspiration, egal, ob es um die Erlebnisse von Laufanfänger*innen ging, Kontemplationen der Natur, oder um Wettkampfberichte von allen Arten von Laufveranstaltungen, von denen ich bei einigen im Leben nicht geahnt hätte, dass Menschen solche Strecken zu Fuß zurücklegen. Wichtig waren auch Themen, die nur peripher mit Laufen zu tun hatten, aber sehr viel mit Menschen, die sich da in den Blogs auf sehr persönliche Weise zu erkennen gaben.

Am 18.3.2009 habe ich den ersten eigenen Blogeintrag geschrieben, und sofort freundliche und hilfreiche Kommentare bekommen. In all den Jahren ist mein Jogmap-Blog auf 16 Seiten angewachsen, das sind um die 170 Einträge. Hier steht alles, von ersten Pulsuhrexperimenten (da wusste ich noch nicht, was Laufuhren alles können können), dem ersten Wettkämpflein auf 5 km, dem ersten Zehner – der Eintrag hat mir die Freundschaft mit tinadoro beschert, die dort auch ihren ersten Zehner gelaufen war – Lauferlebnisse mit dem weltbesten Hasen, der anfangs noch gar keiner war, mich dann aber zu all meinen Bestzeiten gescheucht hat, Halbmarathon, Marathon, Hermann, die erste verletzungsbedingte Laufpause, viele, viele Läufe auf Dienst- und Urlaubsreisen. Alles steht da drin.

Schon vor dem ersten Halbmarathon hatte ich das große Glück und Vergnügen, am Jogmap-Vorabendtreffen in der Villa Kreuzberg teilzunehmen. Das war sehr beeindruckend, so nette, so erfahrene, so lustige Läuferinnen und Läufer kennenzulernen. Viele von Euch habe ich danach noch oft getroffen, und hoffe, dass es auch in Zukunft Gelegenheiten geben wird.

Wann war nochmal der große Server-Crash? Danach habe ich sicherheitshalber mein Blog umgezogen, um all die Beiträge aufzubewahren, habe aber immer parallel bei Jogmap und bei https://laufen.laohu.de gepostet. Und bis auf ein einziges Mal, standen die Kommentare dann immer bei Jogmap.

Jetzt ist das Ende angekündigt. Der Schock sitzt tief, und ich habe mich, gleich als die liebe Manipejuta mich drauf aufmerksam machte, bei Strava angemeldet, um dem Ex-Jogmap-Club beizutreten. Seither trage ich alle Aktivitäten wieder brav ein, rufe die Seite mindestens täglich auf, lese alles, was geschrieben wird, denn ich möchte meine zwischenzeitlich arg vernachlässigte Jogmapfamilie nicht missen.

Ob Strava die Lösung ist, weiß ich noch nicht. Aber das werden wir herausfinden. Dass sich hier so schnell so viele eingefunden haben, die die Familie auch nicht missen möchten, hat jedenfalls schon etwas sehr Tröstliches. Wir werden sehen…

Laufen zu Hause: Sightrunning für einen Gast

In der Vorstellungsrunde habe ich gesagt, dass wer Laufsachen dabei habe, am Dienstag mit mir laufen gehen könne. Die Laufgruppe besteht derzeit zwar nur aus einem Kollegen (der auch noch auf Dienstreise ist) und mir, aber es wird so oder so gelaufen. Wer mag, kann mit. Dieses Angebot mache ich öfter, aber es kommt nur gelegentlich vor, dass tatsächlich jemand mitkommt. Dieses Mal finden zwei Kursteilnehmer Laufen nach Feierabend prima, aber nur einer hat Laufschuhe dabei.

Als der Kurs für heute fertig ist, gebe ich einen kleinen Vorsprung, damit meine Laufbegleitung ins Hotel gehen und sich umziehen kann, ich arbeite noch ein wenig, ziehe mich dann auch um und laufe los. Ich habe mir eine Strecke überlegt, die am Ku’damm startet und ein bisschen touristisch ist. Zur verabredeten Zeit treffen wir uns vor dem Hotel. Wir laufen nach Norden Richtung Lietzensee. Ich hoffe ein bisschen, dass der Park um den See beleuchtet ist. Ist er aber leider nicht, so dass wir im Bogen drum herum laufen müssen. Der Gast findet die Altbauten mit den erleuchteten Fenstern schön und freut sich, dass in den Nebenstraßen so wenig Verkehr ist. Das finde ich sehr freundlich von einem, der es nicht gewohnt ist, in der Großstadt zu laufen. Wir queren die Neue Kantstraße und etwas später den Kaiserdamm und laufen auf die Schloßstraße zu. Hier kann man schön auf dem Grünstreifen in der Mitte direkt aufs beleuchtete Schloss Charlottenburg zu laufen. Leider habe ich keine Ahnung und kann nicht viel zum Schloss erzählen. Ich weiß gerade mal, dass das das Gebäude an der Ecke zur Linken das Museum Berggruen ist – das Pendant dazu auf der rechten Seite fällt mir zu meiner Schande gerade nicht ein (es ist die Sammlung Scharf-Gerstenberg).

Wir laufen durch ein kleines Tor in den Schlosspark, rechts ums Schloss herum und gleich wieder an der Spree entlang nach Osten. Es ist ziemlich finster, aber mein Gast ist mit der Strecke sehr zufrieden, lobt das Schloss und die Spree, und hofft, dass er das nächste Mal im Sommer kommen und im Schlosspark laufen kann. Der Mond ist fast voll und bescheint einigermaßen den Weg am Wasser entlang. Unter den Brücken ist es stockfinster. Wir laufen unter der historischen Fußgängerbrücke, dem Siemenssteg durch bis zu der Stelle, wo Spree, Landwehrkanal und Charlottenburger Schifffahrtskanal zusammen treffen. Die Stelle sieht auch bei Nacht sehr schön aus.

Ab hier geht es wieder nach Süden, wir wählen wieder Nebenstraßen, kommen am Standesamt Charlottenburg vorbei, sehen den Turm vom Rathaus Charlottenburg, als wir die Otto-Suhr-Alle queren, und können an der Krumme-, Ecke Bismarckstraße durch die Glasfassade ins Innere der Deutschen Oper schauen. Wir folgen der Krummen Straße weiter nach Süden. Beim Überqueren der Kantstraße empfehle ich für spätere Gelegenheiten die Teigtaschen im chinesischen Restaurant Selig sowie die taiwanesische Nudelsuppe im Lon Men’s Noodle House.

Wir erzählen einander von unseren Laufgewohnheiten – mein Gast kommt vom Meer und läuft auf dem Deich. Dort gibt es entweder Rücken- oder Gegenwind. Sein Sportverein veranstaltet traditionell einen Lauf, der lustigerweise 6,4 km lang ist, weil der, der ihn als erstes „vermessen“ hat, ziemlich schlecht schätzen konnte. Weil die Strecke bis zu einem Denkmal aber sehr schön und passend ist, ist es dabei geblieben. Schöne Geschichte. Am Ende der Krummen Straße biegen wir in die Wilmersdorfer Straße ein und laufen zurück Richtung Ku’damm. Weil die Strecke hübscher ist, wählen wir den kleinen Umweg über die Giesebrechtstraße und den Meyerinckplatz. An der Ecke Ku’damm trennen sich unsere Wege. Wir bedanken uns gegenseitig für den angenehmen Lauf, mein Gast läuft nach rechts Richtung Hotel, ich über den Olivaer Platz Richtung Schöneberg.

Laufroutine

Laufen funktioniert am besten, wenn es regelmäßig passiert. Das ist bekannt. Die Regelmäßigkeit herzustellen, ist der Trick. Für mich funktioniert es am besten, wenn ich nicht erst darüber nachdenken muss, wann ein Lauf in meine volle Woche passt, sondern die Termine mehr oder weniger feststehen. Donnerstags laufe ich in die Arbeit. Das geht, weil ich normalerweise vorher dienstags nach Hause gelaufen bin und im Büro ein Satz Kleidung auf mich wartet – und schon sind zwei Termine unter der Woche fest eingeplant.

Heute ist es spät, denn ich habe mich trotz Minimalfrühstück (nüchtern laufen macht mir keinen Spaß) mit der Zeitung vertrödelt. Als ich aus dem Haus trete, ist es schon kurz vor acht. Die Uhr sucht Satelliten, derweil stöpsle ich mir die Kopfhörer in die Ohren und starte mein Hörbuch. Auf Routinestrecken lasse ich mir gerne etwas vorlesen, derzeit Margaret Atwoods erstes Buch The Edible Woman. Meine Arbeitsstelle ist auf direktem Weg nur dreieinhalb Kilometer von zu Hause entfernt, das ist sehr praktisch, denn ich kann die Streckenlänge je nach Zeit und Lust prima variieren.

Heute reicht es für acht Kilometer, das heißt, erstmal zwischen den Fünzigerjahrebauten durch, über die große Kreuzung Martin-Luther-/Hohenstaufenstraße und dann nach Südosten durch die Schwäbische Straße direkt auf die Apostel-Paulus-Kirche zu – ich mag solche Blickachsen. Der Himmel hinter dem Kirchturm leuchtet rosa. Am Ende der kleinen Parkanlage, die die Schwäbische Straße unterbricht, begegne ich meiner Freundin B., die gerade mit Hündin Ella aus dem Haus tritt. Wir sind beide spät dran, begrüßen uns nur kurz – aber das ist ok, wir sind am Sonntag verabredet.

Ich laufe über den Vorplatz der Kirche, durch die Vorbergstraße, kurze Links-Rechts-Kombination über die Haupt- und durch die Helmstraße. Am Ende gibt es einen Fußweg, der hinter den Häusern bis zum S-Bahnhof Julius-Leber-Brücke führt. Von dort brauche ich nur kurz die Kolonnenstraße zu queren und bin schon fast im Gasometerpark. Am S-Bahnhof Schöneberg biege ich in die Ebersstraße ein – auch eine kleine ruhige Straße, an deren Ende ich am Innsbrucker Platz nur schnell unter Auto- und S-Bahn durch muss und dann schon wieder Friedenauer Nebenstraßen nehmen kann. Überhaupt: Friedenau ist sehr wichtig für meinen Arbeitsweg. Egal, welche Strecke ich laufe, der BäckerMann am Südwestkorso ist Pflicht. Hier kaufe ich eine Butterbrezel und ein Rosinenbrötchen. Für Laugenbrezeln gibt es in ganz Berlin sowieso keine bessere (oder auch nur halbwegs akzeptable) Bezugsquelle, aber auch die Rosinenbrötchen sind großartig – und der Käsekuchen, der ist aber nicht im Laufrucksack transportabel.

Ab hier sind es noch mindestens drei Kilometer. Heute nehme ich den direktesten Weg: Offenbacher, Hohensteiner, Hanauer Straße. Letztere endet am Heidelberger Platz. Schon wieder ein S-Bahnhof. Ab hier geht es durch die Rudolstädter Straße, am Zugang zum Volkspark Wilmersdorf vorbei – auch eine Streckenoption, aber die wäre mir heute zu kurz gewesen. An der Kreuzung am Hohenzollerndamm (die fünfte S-Bahnstation auf meinem Weg), treffe ich einen Kollegen auf dem Fahrrad. Jetzt sind es nur noch wenige Meter.

Mir fällt ein, dass ich vergessen habe, ein Handtuch im Büro zu deponieren. Ich gehe kurz im Fitnessraum vorbei, wo zwei Kollegen auf der Matte liegen und unter Anleitung ihre Bauchmuskeln trainieren. Von der Trainerin leihe ich mir ein Handtuch. Ich verspreche es nachmittags zu meinem Sporttermin wieder mitzubringen. Schnell bringe ich meine Sachen ins Büro, aber ich bin zu langsam. Die Kollegen waren offensichtlich fast fertig mit ihrem Sportprogramm, denn bis ich ankomme, sind beide Duschen belegt – das kommt vom zu späten Loslaufen. Macht nichts, ich esse erstmal die Butterbrezel – köstlich. Dann duschen und der Arbeitstag kann kommen.

Laufen unterwegs – Mit Stirnlampe durch den Teutoburger Wald

Bielefeld – ich wohne im selben Hotel wie damals beim Hermannslauf. Es heißt inzwischen anders. Aus dem Fenster blicke ich auf den erleuchteten Turm der Sparrenburg und sehe, dass auf der Straße direkt unterhalb meines Fensters die Busse zum Hermannsdenkmal abgefahren sind. Dieses Mal bin ich zum Arbeiten hier.

Nach Feierabend bin ich mit einem Kursteilnehmer zum Laufen verabredet. Er will mich anrufen, wenn er von zu Hause aus losläuft, dann soll ich auch loslaufen und wir treffen uns auf der Promenade, die auf die Sparrenburg zu führt. So machen wir es. Ich ziehe mich um, setze zum ersten Mal die Stirnlampe auf, die mein Vater mir neulich geschenkt hat (hoffentlich hält die Batterie durch…), die ich in Berlin aber nie benutze, weil ich immer nur beleuchtete Strecken laufe.

Ich laufe über den kleinen Platz, an der Kirche vorbei und hoch zur Burg. Ich komme am Parkplatz heraus, da sind auch die drei Poller, die mein Laufpartner erwähnt hat, und ich biege auf die Promenade ein. Hier wird er mir irgendwann entgegenkommen. Es ist ganz schön was los: Leute mit Hunden – am besten gefallen mir immer die mit den bunt blinkenden Halsbändern – einzelne Läuferinnen und Läufer, kleine Laufgruppen. Die Leute sind nicht wirklich gut zu erkennen, und als ein Einzelläufer entgegen kommt, rufe ich ihm auf gut Glück ein fragendes „Marcus?“ entgegen. Er ist es tatsächlich. Er wendet und gemeinsam laufen wir Richtung Südosten.

Wir überschreiten den 52. Breitengrad, mein Begleiter ist ein guter Guide, der mich auf alle Sehenswürdigkeiten aufmerksam macht. Als wir den beleuchteten Weg verlassen, schalte ich die Stirnlampe ein. Es läuft sich gar nicht so schlecht mit Licht. Marcus hat eine Bauchlampe, so ein Teil zum Umhängen, vorne leuchtet es weiß, hinten rot. Seine Lampe ist viel heller als meine, sie wackelt aber mehr, und er gerät immer mit den Armen in den Lichtkegel, das macht die Sache ein bisschen unruhig. Es geht bergan, das bin ich ja gar nicht gewöhnt. Marcus schlägt vor, bis zum Eisernen Anton zu laufen, das müssten dann hin und zurück ca. 12 km sein. Ich bin einverstanden. Als ich bergauf etwas schweigsam werde, fragt er mich immer wieder, ob’s geht. Klar geht’s. Wäre ich alleine, hätte ich vermutlich schon diverse Gehpausen eingelegt, aber noch will ich mir diese Blöße nicht geben. Irgendwann sind wir oben auf dem Kamm und ich kann wieder sprechen. Es ist großartig, die Lichter Bielefelds zur Linken und die von wer weiß welchen Ortschaften zur Rechten zu sehen. An eine Treppe kann ich mich vom Hermannslauf erinnern – hier ging es damals hoch, aber jetzt laufen wir quasi Hermann rückwärts, das heißt, nur ein sehr kurzes Stück abwärts, über eine Straße und zwischen ein paar Gebäuden wieder steil bergauf. Marcus vermutet, es müsse noch ca. 500 m bis zum Turm sein. Irgendwie zieht sich die Strecke ein bisschen, dann steht er doch da. Wir klettern hoch und genießen die Aussicht. Dazu war damals beim Hermannslauf keine Zeit.

Nach kurzer Pause kehren wir um, mir ist es recht, dass mein Begleiter eine kleine Abkürzung vorschlägt. Wir laufen parallel zur Osningstraße auf Rad- und Fußweg stetig bergab. Super, jetzt rollt es wieder ganz leicht. Ich bin ganz euphorisch von der spannenden Laufstrecke, die mir viel spektakulärer vorkommt, als alles, was ich zu Hause belaufe. Als wir das Ortsschild Bielefeld erreichen, bereue ich die Abkürzung ein bisschen, denn ich fürchte, jetzt den Rest des Rückwegs in der Stadt zu laufen. Das wäre ein bisschen schade, wo ich doch gerade so einen Waldflash habe. Aber da kenne ich meinen Laufkollegen schlecht: Wir biegen links ab, verlassen die Siedlung und sind schon wieder im Wald. Es ist ziemlich matschig und ich frage, ob das hier noch als Weg durchgeht. Wir schlittern vorsichtig einen kleinen Hang hinunter, und ich fürchte sehr, mich gleich in die Matschepampe zu setzen. Dann wird der Weg wieder laufbar – wobei wir ein steiles Stück hoch jetzt doch gehen. Dann sind wir wieder auf der Promenade. Wir laufen zusammen bis zur Burg, und Marcus schlägt vor, noch hineinzugehen, eine Runde ums Gelände zu drehen und auf die Stadt zu schauen. Klar, in der Fremde muss ich doch die touristischen Highlights mitnehmen. Er erklärt mir, dass alles unterkellert ist, und dass es tolle Führungen durch die Gewölbe gibt.

Vor dem Burgtor verabschieden wir uns – er läuft wieder die Promenade zurück nach Hause, während ich nur noch schnell in den Ort runterrollen muss. Letztendlich waren es dann 14 km, und ich bin ganz schön platt. Aber das macht nichts, für so einen spektakulären Feierabendlauf kann ich mich ruhig mal ein bisschen anstrengen.

Mentaltraining – oder: wir sind viele

Mangels Aussicht auf Aussicht habe ich den Florian nur umrundet – die tibetischen Buddhisten machen das schließlich immer so. Mit den eigenen Bergen, nicht mit dem Florian. Am Ziegengehege unterhalb des Gipfels fängt es auch noch an zu regnen. Die Ziegen haben sich alle untergestellt. Kalter Novemberregen, bei fünf Grad, nur Schneeregen ist ekliger. Immerhin geht es jetzt wieder bergab und ich frage mich, ob das wohl schon zum berühmten Training für die mentale Stärke zählen könnte. Ich lausche in mich hinein, um einen kurzen Systemcheck abzurufen, und bin überrascht, was da drin los ist.

Füße: „Alles in Ordnung, wir sind warm.“
Hände: „Warm. Handschuhe sind super.“
Linkes Knie: „Wir aber nicht, wir sind kalt.“
Rechtes Knie: „Und NASS!“
Arme (in den langen Ärmeln des Laufshirts): „Wir sind auch nass. Zumutung!“
Beine: „Geht doch leicht, bergab läuft es doch wie von selbst.“
Rumpf (in winddichter Weste): „Warm, alles ok.“
Gute Laune: „Huuuaaa!“

Am Waldspielplatz geht es über die neue Brücke nach Grafenberg. Eine große Straßenbrücke, die über gar nichts führt. Ob da noch eine Umgehungsstraße oder sowas drunter kommt? Da drin streiten sie sich, ob ich den direkten Weg oder den um den Grafenberg herum und Richtung Kleinbettlingen nehmen soll. Die Beine sind leicht und setzen sich vorläufig durch. Die Füße zetern „Aber nicht durch die Wiesen, da ist alles total nass!“ Die Beine schließen sich an und plädieren ebenfalls für Qualitätsasphalt – die wollen doch nur schnell, ein leicht zu durchschauendes Manöver. Wir machen einen Kompromiss und laufen auf der Südseite des Bergs durchs Wohngebiet.

Inzwischen haben sich Arme und Knie zu einer kleinen Spontandemo zusammengerottet und stimmen einen Sprechchor an: „Wir sind Arme, wir sind Knie – wir haben die Schnauze voll!!!“ Darüber muss die gute Laune sehr lachen.

Die Autos, die auf der Landstraße entgegen kommen, sind rechte Rüpel. Ein bisschen mehr Abstand von der Läuferin wäre echt angebracht. Sie wirbeln nasse Wasserwolken auf, aber zum Glück zweigt schon bald der Feldweg nach Riederich ab. Anfangs noch geschottert, müssen die Füße sich schon bald fragen, ob sie lieber durch den Matsch in den Fahrrillen oder durchs nasse Gras auf dem Mittelstreifen laufen wollen. Ein unbedachter Schritt des linken Fußes in ein Matschloch spratzt einen großen Batzen Matsch mitten auf den rechten Fuß. Der dringt sofort durch das Meshgewebe des Laufschuhs und durchnässt die Laufsocke. „Ey! Pass doch auf!“ beschwert sich der rechte Fuß.

Die gute Laune bemerkt als erstes, dass der Regen fast aufgehört hat. Als der Feldweg wieder in Asphalt übergeht, sind sich plötzlich alle wieder einig. Das Ziel schon vor Augen lassen wir es bergab noch einmal rollen und finden auf einmal wieder, dass Laufen total viel Spaß macht.